Diversität in Romanen

(Auch anwendbar auf Medien im Allgemeinen!)

Inhalt

Disclaimer:

Emotionales Vorwort:

Unsere Welt:

Aber Fantasy ist doch immer Divers!

Aber sie müssen eine Funktion erfüllen!

Zusammenfassung:

Schlusswort:

Disclaimer:

Der folgende Beitrag hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er spiegelt meine Gedanken wieder und soll dies auch recht ungefiltert, aber wie ich hoffe einigermaßen sachlich (vom Vorwort abgesehen). Ich habe mich hier bewusst gegen eine quellengestützte Beitragsform entschieden, weil meiner Meinung nach die sogenannte Mehrheitsgesellschaft endlich einmal lernen muss, auch die Meinungen und Gefühle von Diversen[1] Personen nicht nur wahrzunehmen, sondern auch anzuerkennen. Wie ihr seht, arbeite ich mit Fußnoten. Ich nutze sie, da ich bei einigen Begriffen dazuschreiben möchte, was sie für mich bedeuten, wie ich sie verwende oder wie sie gemeint sind. Da dies aber weiterführend ist und vom Thema ablenken würde, versuche ich so, die Lesbarkeit zu verbessern.

Emotionales Vorwort:

Auf Threads läuft mal wieder eine, in Teilen sehr unsachlich geführte Diskussion über Diversität in Romanen. Weil mich die Kommentare einiger Kolleg*innen sehr erschüttert haben, habe ich natürlich sehr emotional reagiert und wollte antworten, habe es aber bewusst nicht, denn:

Das Thema ist zu wichtig!

Reagiere ich emotional, wird mir mal wieder vorgeworfen emotional zu sein und es wird auf die Sachargumente nicht eingegangen.

Dann habe ich es mit Threads versucht und losgekoppelt von dem eigentlichen Thread etwas formuliert, aber ich müsste es in mehrere Beiträge aufteilen und dann können Teile wieder aus dem Kontext gerissen werden, wenn nicht alles gelesen wird. Das kann hier auch passieren, aber hier steht es im Sinnzusammenhang zusammen, wenn sich auf diesen Text bezogen wird.

Deshalb habe ich mich entschieden, meine Gedanken dazu in einem Blogbeitrag zu teilen, denn:

Das Thema ist zu wichtig!

Warum mach’ ich das direkt heute?

Ich bin noch frisch in der Emotion, mein Gedankenfluss ist dabei recht produktiv. Gehe ich aus der Emotion, bevor ich diesen Beitrag beginne, wird mein Team „Inner Kritiker*innen“ wieder die Situation kleinreden. Das darf in diesem Fall nicht passieren, denn:

Das Thema ist zu wichtig!

Da wir meine Beweggründe nun geklärt haben und ich meine Emotionen zusammengefasst habe, versuche ich meine Gedanken jetzt, so sachlich wie möglich herunterzuschreiben.

Unsere Welt:

Ich akzeptiere, dass Autor*innen überzeugt sind, es bräuchte keine Diversität in Romanen. Ich akzeptiere die Meinung, dass sie es als aufgesetzt empfinden. You do You. Du schreibst deinen Roman wie du willst, da werde ich dir nicht hineinreden. Aber ich muss deinen Roman nicht feiern und darf die mangelnde Diversität kritisieren. Weil eine Welt eben das ist: Divers.

Dennoch beginne ich mit Beispielen, wo es meiner Meinung nach keine Diversität braucht, genauer gesagt es nicht auffällt, wenn du nicht divers schreibst:

  • Ein Roman in einem Escaperoom mit drei Personen
  • Ein Roman in einer abgelegenen Berghütte mit zwei Personen, eingeschneit.
  • Ein Roman über die Beziehung zweier Personen, die wie in einem Kammerspiel nur in ihrer Wohnung miteinander interagieren. (Das kann ich mir übrigens sehr spannend vorstellen, falls ihr ein solches Buch kennt, gerne mal antickern.)

Mir fallen ehrlicherweise nicht mehr Beispiele ein, denn Romane finden in den seltensten Fällen in geschlossenen Räumen und Gruppen statt.

Denken wir das erste Beispiel weiter:

Die drei Personen haben den Escaperoom gelöst und befinden sich nun in der Innenstadt.

Wie sieht eine Innenstadt aus?

In Innenstädten seht ihr Folgendes: Brillenträger, Menschen mit Asthma, Dicke, Dünne, diverse Hautfarben, Blinde, Rollstuhlfahrer*innen, Obdachlose Menschen, um Geld bittende Personen, Narben, ohne Haare, Haare hochstehend, Tattoos, Piercings, Menschen mit Gehhilfen, Kleidung in verschiedensten Farben und Zuständen, Kinder, Erwachsene, Teenager, Schulranzen, Rucksäcke, Aktentaschen.

Das sind alles Dinge, die wir im Vorübergehen sehen.

Wann hast du das letzte Mal in einem Roman eine Person gelesen, die einses dieser Attribute aufweist?

Äußerlichkeiten wie Kleidung, im Sinne von der „normalen“[2] Kleidung, schon noch, aber einen Obdachlosen mit abgewetzter Kleidung, der um Geld bittet? Diese Menschen werden eben nicht nur in Romanen von uns völlig übersehen. Mir fällt das auf, weil ich in dem Bereich gearbeitet habe. Ich hatte einen Roman gelesen, wo ein Protagonist durch eine Innenstadt geht, die ich kenne und die auch der Protagonist laut Beschreibung gut kennt. An einer Ecke stehen immer die „Punks“, an einer anderen Stelle liegen/sitzen fast immer Obdachlose Menschen. Diese wurden nicht erwähnt. Wenn der Protagonist die Stadt so gut kennt wie beschrieben, ist das schlichtweg unrealistisch.

Stellt euch bitte einfach mal in eine Fußgängerzone und beobachtet Menschen. Keine zwei Personen sehen gleich aus. Ja, optisch kannst du sie in Gruppen aufteilen und du wirst Gemeinsamkeiten finden, vielleicht auch Mehrheiten. Aber du wirst immer Personen haben, die du nicht einteilen kannst und diese Menschen, die fallen dir bewusst, unbewusst oder verdrängend[3] auf. Immer. Jeder, der etwas anderes behauptet, muss mit Scheuklappen durchs Leben laufen.

Ich glaube, damit habe ich gut dargestellt, dass jeder Roman, der in der Öffentlichkeit, in unserer Welt spielt und nicht divers geschrieben ist, nicht wirklich realistisch ist.

Ich fordere nicht von euch, dass euer Hauptcharakter divers ist. Aber sobald mehr Menschen an einem Ort sind, werden einige dabei sein, die aus dem Raster in deinem Kopf fallen werden, ob du willst oder nicht und das sollte dargestellt werden. Nicht als Alien unter Gleichen, sondern casual.

  • Der Mann, der sich die Brille auf der Nase hochschiebt.
  • Eine Frau, die zu ihrem Asthmainhalator greift, bevor sie antwortet.
  • Eine Person mit löchriger Kleidung.
  • Ein weißer Mann, der vor dem Klo im Einkaufszentrum sitzt und einen schönen Tag wünscht.

Das hat drei Vorteile:

  1. So kleine Kontakte machen deinen Roman lebendiger und realistischer.
  2. Du fügst deinem Roman eine Ebene hinzu und Diversität ein, ohne, dass es „aufgesetzt“[4] ist.
  3. Ihr beschreibt in euren Büchern ohnehin schon das Aussehen von euren Charakteren, aber ihr beschreibt auch Szenen und Stimmungen, solche Erlebnisse und Kontakte zu Personen, die eben außerhalb der Gruppe stehen, tragen zur Stimmung bei.

Beispiel: Brian kommt in eine Bar, dort stehen Gruppen mit Männern und Frauen, die Stimmung wirkt bedrückt, gar bedrohlich. Er ist zu einem Geschäftstreffen hier, seine Kollegin sieht er, sie winkt ihm zu. Ein Mann mit einer Narbe im Gesicht kommt schnell auf den Protagonisten zu. Brian weicht zurück, stolpert und fällt. Der Mann mit der Narbe entschuldigt sich, hilft ihm auf und geht weg.

Die Szene löst sich positiv auf, es stellt sich heraus, die Fußballmannschaft hat verloren, deshalb die Stimmung und der Mann mit der Narbe hat einen Termin vergessen. Die Szene trägt zur Stimmung bei, es ist Diversität enthalten und der Mann mit der Narbe wird nicht negativ dargestellt oder irgendwie glorifiziert.

Und merkt ihr etwas?

Ich habe das Thema Geschlechter und Sexualitäten bisher komplett ausgeklammert. Das bedeutet nicht, dass ich finde, dass queere Identitäten nicht erwähnt werden müssten, im Gegenteil. Ich bin selbst Queer und es ist immer Teil meines Schreibens. Aber bei Diversität beziehen sich die Diskussionen meist nur auf diese Aspekte. Diversität ist aber weit mehr als queere Identitäten: Disability, Neurodivergenzen, soziale/kulturelle/finanzielle Hintergründe,  Frauen, die eben nicht die stillen fügsamen Mütter/Mädchen/Ehefrauen sind.

Es geht darum, nicht immer nur[5] dieselben seelenlosen Klischeefiguren durch die Hintergründe laufen zu lassen und dass ihr, wenn ihr Äußerlichkeiten oder Besonderheiten von euren Protagonist*innen und Nebenfiguren darstellt, casual auch einmal eine diverse Figur einbaut. Ihr müsst nicht den Queeren schreiben, der wie ein Fanal leuchtet. Eine Person, die Neurodermitis hat, für die das aber kein Problem im Sinne der Handlung ist, reicht auch.

Für mich gehört auch queeres Leben unbedingt in einen Roman rein, aber wenn ihr euch das nicht zutraut, ist das voll okay. Aber ein wenig realistischer, > diverser < und über den Tellerrand schauend darf es dann doch sein.

Aber Fantasy ist doch immer divers!

Ich habe diese Überschrift gewählt, weil ich diese Aussage schon mehr als einmal gehört habe. Unaufgebrochener Rassismus kommt in der Fantasy häufig vor. Dungeons and Dragons, die Drow (die im Übrigen als schwarz beschrieben wurden) sind immer böse, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Orks meines Wissens auch, nur Halborks dürfen dann mal gut sein. Herr der Ringe, die Orks. (Beispiele gibt es viele.) Und diese Klischees verbreiten sich. Blinde Personen werden häufig durch Magie geheilt und Gay-Charaktere sind nie glücklich und/oder sie sterben. Ich breche hier mit den Klischees bewusst ab, denn ich bringe hier nur Beispiele und keine vollständige Liste.

Ja, aber in meine Welt passt das nicht …

Ernsthaft, wenn das dein Argument ist hast du dich für die Diskussion disqualifiziert. Du willst als schreibende Person Bücher veröffentlichen. Du plottest, du betreibst Weltenbau und willst eine möglichst immersive, glaubhafte Welt erschaffen, und dann klammerst du einen der wichtigsten Punkte des Weltenbaus aus? Die Wesen die in deiner Welt leben.

Du willst keine Queeren schreiben … gut musst du nicht. Aber Sherlock, Menschen mit Behinderung, Menschen mit anderen Lebensentwürfen wird es auch in deiner Welt geben oder gegeben haben. Queere, Behinderte, Neurodivergente, BIPoC, aber auch dicke, dünne, große, kleine, kranke usw. Menschen hat es schon immer gegeben und wird es auch immer geben. Sie werden nur in der Geschichtsschreibung und in der Unterhaltungsliteratur häufig unsichtbar gemacht. Ein Weltenbau, der diese Themen in Gänze ausklammert ist weder immersiv noch realistisch.

Es gibt sie in deiner Welt nicht? Gut sag mir warum!

  • Sind sie ans Bett gefesselt, weil es für eine Familie eine Schande ist, einen behinderten Ork zu haben, der nicht laufen und kämpfen kann?
  • Werden Elfen mit Depressionen weggesperrt, weil sie keine Freude verbreiten können?
  • Zwerge sind oft sehr erfinderisch in der Fantasy, warum kann ein Zwerg also eine Dampfmaschine bauen, aber keinen Rollstuhl für seinen Sohn?
  • Warum gibt es keine gleichgeschlechtliche Liebe, warum sind lesbische oder schwule Pärchen in der Öffentlichkeit unsichtbar, gibt es ein Stigma, sind sie sozial geächtet?
  • Warum lebt die Hexe alleine im Wald, ohne Kontakt zu anderen Menschen, wurde sie ausgegrenzt, weil sie den Prinzen, als sie noch jung war, abgelehnt hatte?
  • Warum kann der Held, wenn er wegrennt, noch ausladende Dialoge führen, ich würde bereits nach Luft japsen.

Das sind Fragen, die ich mir stelle, wenn ich nicht-diverse Welten-Entwürfe lese. Die Beispiele bezogen sich jetzt bewusst nur auf Mittelalterfantasy. Denn, wenn wir in der Zeit voranschreiten wird es immer unglaubwürdiger, und über Urban Fantasy oder Science Fiction müssen wir hier glaub’ ich nicht reden. Die sind in unserer Welt oder weiter als wir, sprich: da ist es absolut nicht nachzuvollziehen.  Aber Dystopien! Ja, auch in der untergegangenen Welt wird es Queere geben, Behinderte, Kranke, Dicke, Dünne. Im Gegenteil, ich behaupte, da würden sie noch mehr auffallen, genauer gesagt: da fällt auf, wenn sie nicht auffallen. Denn was ist mit ihnen passiert?

Sobald Wesen zusammenkommen, ob nun Menschen, Elfen, magisch begabte Axolotl oder wie bei mir Pilze. Es wird immer Wesen geben, die nicht der „Norm“ entsprechen. Die im Auftreten divers sind. Und auch in der Fantasy muss es nicht der queere Charakter sein, der genutzt wird.

Wisst ihr, ihr könnt euch fantastische Welten vorstellen, in denen Magie eine Kraft ist, die nutzbar ist, Welten in denen wir durchs Weltall fliegen oder Zombies Hirne fressen. Aber ein Ork, der nach dem Krieg schwerste Verletzungen hat, der weil ihm ein Bein fehlt an Krücken laufen muss. Das ist zu viel? Wenn er indessen nicht mehr das ehrbare Wesen ist, das Kraft symbolisiert, dann zeigt mir doch, wie damit umgegangen wird. Sitzt er jetzt als Obdachloser in den Straßen und muss betteln? Sofern er nicht weggesperrt wird. Werden wir ihn insbesondere nach einem Krieg sehen, denn dann wird es viele Versehrte geben.

Eure Geschichte spielt am Hof … ja, wirklich nur da? Deine Adelsfamilie hat keinen Kontakt zur Außenwelt? Keine Bediensteten, die alle, wenn sie nicht nur Statisten in einem Roman sind, auch ein Leben haben? Keine bettelnden Personen, die am Hoftor klopfen. Ein schönes Beispiel ist da übrigens die Schöne und das Biest. Da war die arme Bettlerin sogar für den Plot relevant. Aber das muss sie ja nicht sein, um dennoch zu sein. Ein Beisatz vom Grafen, weil er aus dem Fenster sieht, dass jemand am Tor um Essen bittet reicht schon. Dann ist spannend, wie reagiert er? Bittet er einen Diener, etwas zu Essen hinauszubringen oder scheucht er den Bettler fort? Das sagt viel über den Grafen aus, charakterisiert ihn, macht aber auch gleichzeitig die Welt lebhafter. Eine Bäuerin kann Früchte anliefern, weil der Sohn krank im Bett liegt, der Mann im Krieg gestorben ist oder einfach: Die Bäuerin lebt alleine, hat von ihrem Vater den Hof übernommen, will aber keinen Mann haben. Ihr müsst nicht einmal Detailfragen beantworten aber die Geschichte wird schon diverser. Weil ihr dadurch zeigt, dass eben Knochenarbeit nicht nur von Männern verrichtet wird. Was übrigens wohl in Wirklichkeit so war! Die Menschen konnten sich nicht leisten, auf die Arbeitskraft der Frauen zu verzichten, wenn sie überleben wollten.

Aber den Part mit den Versehrten, muss ich mir selbst auf die Fahne schreiben. Die Myzelchroniken habe ich 2020 angefangen zu schreiben und ich habe mich inzwischen weiterentwickelt. Deshalb ist Diversität im Sinne von Verheerungen zum Beispiel noch nicht bei mir zu finden. Jedoch ein Thema, das bei mir enthalten ist, ist Trauer. Ein Charakter verliert jemanden. Häufig wird der Verlust mit zwei Sätzen erwähnt und taucht dann nicht mehr auf. Das ist ein Aspekt, den ich insbesondere in Band 1 drin habe: Trauer verschwindet nicht einfach, sie wird immer wieder mal auftauchen und zwicken und zwacken.

Konzentriert euch auf ein oder zwei Aspekte, die ihr anders macht, die ihr diverser gestaltet, niemand verlangt von euch eine Liste abzuarbeiten.

Ihr wollt eine Welt schaffen, die immersiv ist, die glaubhaft ist. Hört auf, diese Themen auszuklammern. Es gibt Krankheiten, verschiedenes Auftreten, Bedürfnisse, das ganze Empfindungsvermögen, da kann es nicht sein, dass es keine diverse Wesen gibt. Und auch hier: Das muss nicht der Held sein. Gerade, wenn ihr Märkte beschreibt oder eine Feier. Alle kommen maskiert: in der Beschreibung der Masken könnt ihr Diversität einbauen. Haben alle Zugriff auf dieselben Materialien zur Herstellung der Masken oder sind einige Materialien teurer, andere günstiger? Musste jemand für eine Maske etwa einen Jutebeutel verwenden als Grundlage? So könnt ihr Klassenunterschiede nebenbei thematisieren. Weil sie aber eben dennoch alle zusammen feiern, ohne, dass es negativ erwähnt wird, wäre das sogar ein recht positives Beispiel.

Noch offensichtlicher wird dieses Thema, finde ich, wenn es darum geht, wie verschiedene Wesen zusammenleben. Ich habe einen Roman gelesen, in dem unterschiedlichste Wesen zusammen leben. Aber die Wohnungen, die Häuser, sehen alle gleich aus.

Ein extremes Beispiel, um es zu verdeutlichen: Ein Fischwesen wird Wasser benötigen in seiner Wohnung, wenn nicht, wird das Wesen eine andere Lösung haben. Ein Ork wird kein Wasser wie ein Fischwesen benötigen, dafür aber vielleicht deutlich breitere Türen. Zwerge in einer Bibliothek nutzen nicht nur den Tritt, sondern gleich eine Leiter. Wie leben die Wesen zusammen? Ihr schafft diverse Wesen, dann stellt auch im kleinen dar, wie das Zusammenleben funktioniert – und wenn es nicht funktioniert, warum? Bekommt das Fischwesen etwa trockene Schuppen oder einen Ausschlag, wenn es zu lange in der Sonne steht?

Ihr schreibt Fantasy, selbst wenn ihr nur einen Ausschnitt zeigt, in dem XY nicht vorkommt, dann füttert eure Hintergründe damit, lasst euren Helden über die Bäuerin mit dem Karren auf der Landstraße stolpern, den Ork mit Krücken betteln, die Elfe nicht den Prinzen anhimmeln und ihre Erfüllung in Hof und Familie suchen, oder einfach den Helden nach Luft schnappen, wenn er gerannt ist, insbesondere wenn er Rüstungen trägt.

Aber sie müssen eine Funktion erfüllen!

Das ist die Aussage, die mich am meisten wütend gemacht hat.

Darf ich als queere Person nur existieren, wenn ich einen Zweck erfülle?
Darf eine blinde Person nur existieren, wenn sie einen Zweck erfüllt?

Wir kommen da ganz schnell in sehr düstere Diskussionen. Euthanasie, unwertes Leben, Rosa Winkel sollten euch ein Begriff sein.

Unsichtbarmachung, Verteufelung, und Marginalisierung führen zu Ausgrenzung, Gewalt und zu Mord.

Niemand verlangt von euch, den Hauptcharakter so zu schreiben, aber macht Diverse Lebensentwürfe nicht in Gänze unsichtbar.

Zusammenfassung:

  • Diversität1 bedeutet nicht nur Queer
  • Die Abwesenheit von Diversität sagt etwas über euch und eure Wahrnehmung aus.
  • Die Abwesenheit von Diversität wirft Fragen auf.
  • Diversität macht eure Welten (in allen Genres) glaubhafter, realistischer und lebendiger.
  • Diversität kann zur Charakterzeichnung und Stimmung genutzt werden.
  • Es muss nicht die Haupt Charaktere betreffen.
  • Konzentriert euch auf ein oder zwei Aspekte, die ihr anders macht, die ihr Diverser gestaltet. Niemand verlangt von euch eine Liste abzuarbeiten.
  • Es müssen nicht die Themen Sexualität & Gender sein. Auch Krankheiten, Sehschwäche, Obdachlosigkeit, soziale Unterschiede und vieles mehr können genutzt werden. Wagt den Blick über den Tellerrand.
  • Niemand verlangt von euch, den Hauptcharakter so zu schreiben, aber macht Diverse Lebensentwürfe nicht in Gänze unsichtbar.
  • Ich spreche nur für mich und nicht für alle erwähnten Gruppen, deshalb hört ihnen zu, nehmt ihre Aussagen wahr und ernst. Ich bin Queer, aber ich kann nicht für Behinderte Menschen oder BIPoC sprechen.
  • Geht mit Respekt vor, seid neugierig, fragt nach. Akzeptiert aber auch ein Nein!
  • Vermeidet Klischees oder brecht sie auf.

Schlusswort:

Ein schwules Pärchen, Händchen haltend in einer Straßenszene, sollte genauso selbstverständlich sein, wie eine Mutter, die mit Kinderwagen über die Straße geht.

Eine Frau mit Kopftuch, die ein Hotel leitet, sollte genauso selbstverständlich sein, wie ein Manager in schwarzem Anzug, gut gebaut, mit gestählter Brust, der eine Medienfirma leitet.

Eine blinde Person, die alleine spazieren geht, sollte genauso selbstverständlich sein, wie ein Mann, der beim einkaufen nach den Tampons fragt.

Wenn Diverse Lebensentwürfe nur in Funktion und mit Zweck in Medien existieren dürfen, dürfen wir dann in der Realität auch nur in Funktion existieren?


[1] Der Begriff umfasst für mich natürlich: Queere, BIPoC, Behinderte Menschen, Menschen mit Neurodivergenzen, aber insbesondere in diesem Beitrag auch: Chronisch Kranke, Kranke, Dicke und Dünne, Große und Kleine, Alleinerziehende, Frauen, die nicht Mütter sind und nie Mütter sein wollen, Menschen mit Brille, Ausschlag, Obdachlose, Punks, Gruftis und so ziemlich jeden von der sogenannten Mehrheitsgesellschaft abweichenden Lebensentwurf. Deshalb seht mir nach, wenn die Liste nicht vollständig ist.

[2] Normal setze ich bewusst in Anführungsstriche, da ich dieses Wort gerade in diesem Kontext als kritisch sehe, aber im Beitrag wichtig finde, denn bei diesem Beitrag geht es darum, endlich mit Normen zu brechen und ausgetretene Gedankenpfade zu verlassen.

[3] Beispiel Obdachlose, du siehst sie aber du willst sie nicht sehen, weil es dir ein schlechtes Gewissen macht, oder du schon einem anderen Geld gegeben hast, oder es dir einfach unangenehm ist und du dich gerade nicht mit dem Thema auseinandersetzen willst.

[4] Im übrigen finde ich, dass sowas in den seltensten Fällen aufgesetzt ist, meist erlebe ich diesen Vorwurf nur von nicht Betroffenen.

[5] Und damit meine ich nicht, dass ihr das immer und überall tun müsst!