Der Bruch Prolog

Text von Gipfelbasilisk
Aus der Rohfassung von der Bruch

Wie war er hier hingekommen. Er saß auf einem Holzstuhl. Er wusste nicht, wo er war oder doch? Der Raum kam ihm bekannt vor. Licht war auf ihn gerichtet. Eine weibliche Stimme drang aus einem alten Lautsprecher, der schief an der Decke hing.
„Was ist das Letzte, woran sie sich erinnern?“
„Was ist los, wo bin ich hier?“, er bewegte seine Arme spürte aber, dass sie am Stuhl festgebunden waren.
„Das tut nichts zur Sache, ich frage, sie antworten! Also, was ist das letzte, woran sie sich erinnern?“
Die Gedanken fuhren in seinem Kopf Karussell. Etwas in ihm schrie nach Flucht, etwas anderes in ihm wollte antworten, aber was war die Antwort? Bilder zuckten vor seinem inneren Auge auf.

Ein Mann stand am Meer, war er das? Er sah ihn aus einiger Entfernung. Es war, als ob er durch ein Butzenglas schauen würde. Erst als er sich konzentrierte wurde das Bild klarer. Seine schwarze Gestalt zeichnete sich vor einem abendlichen Himmel ab. Die ersten Sterne und der Mond waren schon am Himmel zu erkennen. Die schwarze Silhouette der Gestalt spiegelte sich in dem Wasser. Dann konnte er sich an die Geräusche von Wellen erinnern, Wind der über den Strand fegt, das Salz auf den Lippen schmecken. Er wollte eine Hand heben und dem Mann zuwinken, aber da spürte er die Fesseln an seinen Armen und das Bild verschwand. Er war wieder zurück in dem Raum.

„Sie waren also am Meer, sehr gut. Ihr Gehirn scheint keinen größeren Schaden genommen zu haben. Bitte erläutern sie weiter, woran sie sich erinnern!“
„Wo bin ich hier? Was soll das ganze?“ Er schaute sich genau um. Der Ort erinnerte ihn an sein altes Büro.
„Ich sagte doch, ich stelle die Fragen. Wichtig ist nur das, woran sie sich erinnern, also konzentrieren sie sich darauf!“
Wieder zuckten Bilder auf.

Der Mann ging auf das Wasser zu und schaute lange hinein. Er konnte keine Gesichtszüge an ihm wahrnehmen. Er war sich sicher, dass der Mann etwas unter der spiegelglatten Wasseroberfläche beobachtete, oder beobachtete er sein eigenes Spiegelbild? Er versuchte näher zu gehen, aber er konnte sich wie zuvor nicht bewegen. Dann machte der Mann einen Schritt nach vorne und fiel in das Wasser. Es platschte aber nicht auf, es war eher, als würde er mit dem Wasser verschmelzen und verschwinden.

„Gut so“, unterbrach ihn die weibliche Stimme aus dem Lautsprecher, „Was passierte dann? Was haben sie getan, nachdem sie den Mann verschwinden sahen.“
Er lehnte sich im Stuhl zurück, sagte er alles, was er sah laut? Es fühlte sich alles so unreal an, was war nur passiert?
„Konzentrieren sie sich, jetzt nicht nachlassen!“

Das Bild veränderte sich, er sah das Wasser nun von nahen. Die spiegelglatte Fläche reflektierte den Himmel. Er schaute wie der Mann genauer hin. Nein sie reflektierte nicht den Himmel, sie zeigte einen anderen Sternenhimmel. Er blickte nach oben und konnte den Großen Wagen sehen, der klar am Himmel stand. Das Bild, das er sah, war immer noch in diesem seltsamen Zustand zwischen Tag und Nacht gefangen. Die andere Seite zeigte aber deutlich Nacht und die Sternbilder waren ihm völlig unbekannt. Er kannte sich mit Sternbildern recht gut aus, aber die Sterne auf der anderen Seite, nein, sie müssten von einem gänzlich anderen Ort, einer anderen Welt stammen. Ihm wurde schlecht. Er fühlte eine nahende Bedrohung. Was war nurlos? Dann tauchte die Silhouette des fremden Manns im Wasser auf. Er schrak zurück. Hände griffen von der anderen Seite durch die Wasseroberfläche nach ihm. Er spürte, wie Hitze über seinen Körper lief, und Flammen zuckten aus seiner Haut auf. Er schrie, aber es verstummte, als die Hände ihn unter Wasser zogen.

Leonora sah in den Gedanken des Verstorbenen, wie das Wasser zu brodeln begann und dann Schwärze. Der belebte Leichnam auf der anderen Seite schluchzte auf, aber keine Tränen fanden ihren weg. Sie wandte den Blick ab und tupfte sich ein paar ihrer eigenen Tränen aus dem Gesicht, bevor sie den Knopf der Gegensprechanlage betätigte. „Sehr gut, herzlichen Dank für ihre Kooperation!“, sagte sie in das Mikro und ließ die Magie aus den Toten in sich zurückfließen. Der Wiederbelebte atmete noch einmal auf und sackte dann in sich zusammen. Sie hasste diesen Moment ihrer Arbeit. Es war schon hart genug, die letzten Gedanken der Toten vor ihrem versterben zu dokumentieren, aber sie dann wieder zurück in die Schwärze zu schicken fand sie immer wieder grausam. Sie speicherte die Aufnahmen in der Fallakte und taggte ihn als Otherside Mord. Das kam in der letzten Zeit häufiger vor. Die andere Seite wurde von Monat zu Monat immer aktiver. Seit zehn Jahren, war den Geheimdiensten bekannt, dass es sie gab. Bisher war nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Laut ihrem Vorgesetzten sollte das auch so bleiben. Die immer häufiger werdenden Angriffe machten ihre Arbeit aber nicht leichter.
Sie sah dabei zu, wie ein Team in weißen Schutzanzügen den Raum betrat und den nun schlaffen, schwarzen Körper forttrug. Die Illusion des alten Raumes verblasste und der kalte, sterilweiße Raum kam wieder zum Vorschein. Sie benutzte Bilder aus den Gedanken der Verstorbenen für die Befragungen. Es beruhigte sie etwas, wenn sich ihnen beim Erwachen, ein entfernt bekanntes Bild bot.

Die Tür ging hinter ihr auf, ihr Chef betrat den Raum.
„Das war der Letzte für heute, sie können Feierabend machen. Sehr gute Arbeit Leonora.“
Sie seufzte und atmete tief durch. Fünf Befragungen lagen hinter ihr. Alles Otherside Morde. „Wissen sie, warum die Fallrate zunimmt?“
„Nein und das soll auch nicht ihre Sorge sein. Gehen sie heim, legen sie sich auf die Couch und schalten ab. Diese Fälle können einen ziemlich gefangen nehmen, sie sollten drauf achten, den Abstand zu wahren. Mehr als ein Kollege, hat sich von unserer Arbeit auffressen lassen. Sie sind jung, wenn sie nicht so eine Koryphäe in ihrem Gebiet wären, hätte ich ihre Einstellung nicht zugelassen. Also ab mit ihnen.“
Lenora lächelte ihrem Chef zu, nahm ihre Tasche und ging zum Aufzug.
Sekunden später stand sie im Berliner Trubel und ihre Arbeit in den Katakomben kamen ihr schon wieder wie im Traum vor. Sie schritt durch die Straßen Berlins und blieb an einem Fenster eines kleinen Buchgeschäftes hängen. Märchen für junge Hexen las sie. Dieses Buch hatte sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gelesen. Wie war es in einem normalen Buchgeschäft gelandet? Sowas gab es doch eigentlich nur in den besonderen Buchhandlungen. Sie setzte ihre Maske auf, betrat das Geschäft und kaufte sich glücklich darüber es gefunden zu haben, das Buch.

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