Lesung

›Kara verstand umarmte Zomis, sie hatte Tränen in den Augen. »Dann pass aber auf dich auf und komm ja heile zurück.« Sie schluchzte, drehte sich um und schritt zum Dorf.‹
Der Autor schlug das Buch zu und sah auf die Zuhörer*innen. »An dieser Stelle ende ich. Zomis der Held meiner Geschichte begibt sich nun auf eine gefährliche Reise durch Zyamel, um sein Volk zu retten, was er auf dieser Reise aber alles erlebt, müsst ihr selber nachlesen.«

Es war die erste Lesung des Autoren und nun war sie vorbei. Der Autor war so aufgeregt vorher. Das konnte er bis hier her in die dritte Stuhlreihe spüren. Er saß die ganze Zeit im Publikum, hörte ruhig zu, war stolz. Um ihn herum wuselten die verschiedensten bunten Wesen in fröhlichem Gebrabbel. Ein jedes wie es will. Er war da, stach in dieser bunten Masse heraus und gehörte dennoch dazu.
Die Wesen bewegten sich nach vorne. Hielten dem Autoren ihre Exemplare hin. Er sah, wie seltsam der Autor es empfand in seine eigenen Bücher seinen Namen mit Widmung zu kritzeln. Er sah aber auch seine Freude dabei und Er war stolz. Dann war Er an der Reihe. Hielt sein Exemplar hin, ließ es sich signieren. Unerkannt. Freude, Stolz. Dann drehte Er sich um, verließ die Lesung und löste sich in schwarzem Nebel auf.

Nacht. Schwarzer Nebel kroch über eine Mülltonne und verscheuchte ein paar Waschbären, die auf ihr schaukelten, um sie zu Fall zu bringen. Er kannte das Haus in- und auswendig. Er spürte, wo der Autor schlief. Kroch durch eine Lücke im Dach, quetschte sich durch die Ritzen zwischen den alten Balken, durch eine Lücke der Fußleiste und stand im Schlafzimmer. Wieder feste Gestalt annehmend sah Er das Ruhige ein und ausatmen des Mannes und lächelte. Es war ein bitteres Lächeln, wusste er doch, dass er nicht nur gutes brachte. Er wusste, dass es sein musste. Es konnte nicht nur schöne Geschichten geben, auch Albträume wollten niedergeschrieben werden.