Träume im Badedunst
Text von Amselgunde
Foto von (Ladood) Dawood Tafsir von Pexels
Eines sonnigen Morgens saß die wunderschöne Prinzessin auf ihrem Bette und bürstete sich ihr strohblondes, wallendes Haar. Wie ein Wasserfall aus purem Gold ergossen sich die dichten Strähnen von ihrem Haupte, über ihre Schultern bis weit hinab unter die Hüfte.
Auch ohne dieses Haar wäre die Prinzessin eine der schönsten Figuren des Königinnenreichs gewesen. Doch das Haar verlieh ihr eine zusätzliche Anmut und Strahlkraft, als sei die Sonne selbst nach Umbrora hinabgestiegen, um die Bewohner des Kontinents mit ihrer Schönheit zu verzücken.
Selig lächelnd saß die Prinzessin also auf ihrem Bette, summte eine Melodie des gestrigen Balls und dachte an ihren Tanzpartner. Er war groß gewesen, hatte dunkel gelocktes Haar und ein Lächeln so strahlend, dass es alle Anwesenden in den Bann schlug. Wenn sie der Sonnenschein war, dann war er der dichte Blätterhain, auf den ihre wärmenden Strahlen schienen. Und er würde wiederum die Bewohner des Königinnenreichs vor Regen und Sturm behüten, wie es die Nördlichen Wälder taten.
Plötzlich klopfte es an der Tür, das Geräusch riss sie unsanft aus ihrem Tagtraum. Zwar missmutig, aber um Haltung bemüht, hauchte die Prinzessin ein „Tretet ein“. Daraufhin öffnete sich die weiße Zimmertüre und die Zofe der Prinzessin trat ins Zimmer. Sie blinzelte ob des gleißenden Sonnenscheins im Raume und vollzog einen Knicks. „Prinzessin, Euer Bad ist eingelassen. Ich habe nach Rosmarin duftendes Salz hinzugefügt, damit Euch das Bad zusätzlich erfreue.“
Die Prinzessin rümpfte kaum merklich die Nase, doch ihre Stimme blieb ein liebliches Hauchen: „Gibt es in diesem Schlosse etwa kein Kamille-Salz mehr?“
„Verzeiht, Prinzessin. Der Händler ist heute Morgen noch nicht eingetroffen und -“ Doch die Prinzessin hörte nicht mehr zu. Im Geiste schalt sie die Zofe für ihre Nachsicht und schrie, dass sie nicht eher in das Bade stiege, bis das Kamille-Salz herbeigebracht worden war.
Aber sie zeigte es nicht. Stattdessen nickte sie höflich und lächelte ein strahlendes, verständiges Lächeln.
Als die Zofe ihren unnützen Redeschwall beendet hatte, winkte die Prinzessin sie freundlich aus dem Zimmer, erhob sich und zog ihren Morgenmantel fester um sich.
Dann schritt sie wie die Anmut selbst durch ihr Zimmer, trat aus der Türe und in den Flur. Schon die gegenüberliegende Türe führte zum Bad. Als sie diese öffnete, schlug ihr der heiße, nach Rosmarin duftende Badedunst entgegen und ließ ihre Wangen erröten. Auch wenn sie Kamille bevorzugte, lächelte sie in freudiger Erwartung auf ihr Bad und schloss nach dem Eintreten in den mit Kacheln überzogenen Raum die Türe hinter sich. Der Badedunst wirbelte in dem gleißenden Sonnenlicht, das von den großen Fenstern auf der anderen Seite des Bads hineinschien.
Die Prinzessin entledigte sich ihres Morgenrocks und streifte das Nachthemd von ihrem elfenbeinfarbenen, makellosen Körper. Fast den tanzenden Bewegungen des Abends gleichend, schritt die Prinzessin zu der bronzenen, freistehenden Wanne. Beim Einsteigen stach ihr das heiße Wasser in den Beinen. Doch schnell gewöhnte sie sich an das Gefühl und sank hinab in das angenehme Warm.
Genüsslich lehnte sich die Prinzessin zurück und schloss ihre Augen. Vor ihren geröteten Lidern tanzten die goldenen Sonnenstrahlen und erinnerten sie erneut an den gestrigen Ball. Die Melodien des Abends waren ihr erneut ins Ohr gestiegen und sie ertappte sich selbst dabei, wie sie in die Klänge mit einstimmte.
Noch immer selig lächelnd öffnete die Prinzessin die Augen und es war ihr, als ob die Dämpfe des heißen Badewassers zu ihrer Melodie tanzten. Viel mehr noch, es schien, als schälten sich Formen aus den Dampfwolken, die ihrer und der des hübschen Asterion glichen. Gemeinsam glitten sie schwungvoll durch die den Dampf und tanzten zu ihrer leisen Stimme. Es war ein schöner Moment, sie spürte, wie die ganze Welt die beiden für das Traumpaar des Königinnenreiches hielt. Das tanzende Paar schien für das Reich gemacht, es gab keine bessere Kombination, um das Reich durch die drohenden Gefahren zu führen.
Doch plötzlich änderte sich das Abbild des Asterion und ein schlankeres trat an seine Stelle. Das Herz der Prinzessin schlug schneller, es drohte gar zu zerspringen, als eine aufkeimende Hitze die Prinzessin zu übermannen drohte. Das Paar tanzte eng miteinander, blieb stehen und die Prinzessin sah, wie deren Köpfe sich annäherten.
Da stieg ihr der Geruch von Kamille in die Nase und sie spürte die Finger des jungen Mannes an ihrer Hüfte. Wenn sie der gleißende Sonnenschein war, so war er das matte Licht des Mondes, dessen Magie sie tief berührte, nach dem sie sich des Nachts in ihrem Bette sehnte.
Die Prinzessin schüttelte den Kopf und atmete tief den sie umgebenen Duft von Rosmarin ein. Die tanzenden Formen zerfielen und wieder war es nur der Dampf des heißen Bades, der leicht im Sonnenlicht waberte.
Nein, das ging so nicht, sie durften nicht. Er war eine Gefahr, ein spitzer Dorn in ihrem Herzen, der ihr gezogen werden musste. Solange er da war, konnte sie nicht ihrer Bestimmung folgen, ihr Erbe antreten.
Es war an der Zeit gewesen, dass er endlich verschwand, aus ihrem Kopf, aus ihrem Herzen, aus ihrem –
Es klopfte an der Türe. Die Prinzessin erschrak fürchterlich über den Laut und zuckte atemlos zusammen. Dann richtete sie sich erneut auf und hauchte ein „Tretet ein!“
Ihre Zofe störte sie ein weiteres Mal. Die Prinzessin spürte heiße, blitzende Wut in sich aufsteigen, doch sie beherrschte sich, als sie in das gerötete Gesicht ihrer Zofe sah. Es war nicht nur von der Hitze gerötet.
„Prinzessin Pincea“, die Stimme der Zofe war nur einem Wispern gleich, „Euer Bruder Matricar… er ist getötet worden.“