Verbotener Kontakt
Text von: Wandelndetote
CN: Blut
“Chris !! Jen !!”, rief Maryse, als sie freudestrahlend aus dem Schulgebäude und auf die beiden Geschwister zu stürmte. Jenni und Chrisi hatten schon zehn Minuten früher Schulschluss gehabt und warteten bereits am Tor auf ihre Freundin.
,,Na was wollen wir heute machen ?”, fragte Chrisi.
May antwortete: ,,Wie wär’s mit Kino heute Abend?”
,,Au das hört sich fein an”, entgegnete Chrisis Schwester begeistert.
Nach einem kurzen Telefonat, machte sich die kleine Gruppe auf den Weg nach Hause.
May´s Mutter hatte ein paar Tage Urlaub genommen, daher hatte sie gefragt ob ihre beiden Freundinnen zum essen und Hausaufgaben machen mitkommen dürften. Sie hatten nur noch wenige Tage bis die letzten Sommerferien begannen. Eifrig wie immer machten sie ihre Aufgaben und gingen dann runter, denn May´s Mutter hatte schon gekocht, es roch wie immer verdammt lecker. Aber um ihr Ritual nicht zu brechen, wurde auf der Treppe wieder ein Stop eingehalten um zu erraten was es wohl zu essen geben würde.
,,Was es heute wohl gibt?”, fragte Jenni.
,,Ich weiß nicht, es riecht nach Spaghetti finde ich”, meinte ihre Schwester.
,,Stopp ich weiß es, es gibt Hackbraten mit Stopfer”, freute sich May.
,,Ne ne ne Leute, Hackbällchen mit Stopfer, Pilzen und karamellisierten Zwiebeln aber da ist noch ein anderer Duft”, entgegnete Jenni. Und ja wie immer hatte sie einfach eine zu feine Nase, doch konnte diesmal niemand von ihnen erraten was es sein könnte, da der Duft des Hauptmenüs den Leichteren überlappte und daher schwer zu separieren war.
In diesem Moment ging auch schon die Küchentür auf und es wurde nach ihnen gerufen.
,,Was macht ihr denn da?”, fragte ihre Mutter freundlich lächelnd.
Maryse klärte ihre Mutter auf: ,,Ach Mam, das ist nur so ein Ritual von uns, bevor wir in die Küche kommen dürfen, müssen wir erraten was du leckeres gekocht hast”.
,,Na das nenn ich mal ein interessantes Spiel. Und lagt ihr schon mal richtig was die Gerichte anging?”, fragte sie die drei Mädels.
Sie lachten: ,,Ja lagen wir, Jenni hat einfach immer die feinere Nase”
,,Na dann meine Damen, was gibt es laut eurer Nasen heute zu essen?”, fragte sie und machte eine geheimnisvolle Miene.
Alle drei verrieten, was sie meinten errochen zu haben und dann wurden sie in die Küche geführt. Dort standen doch tatsächlich Hackbällchen, Stopfer, Pilzsoße, karamellisierte Zwiebeln und Kohlrabigemüse am Tisch.
Jenni freute sich sehr: ,,Ha ! Was hab ich euch gesagt?” , rief sie fragend in die Runde.
,,Ok ok du hast gewonnen.. diesmal”, sagte Chrisi lachend.
,,Du Mama, dürfte ich für heute Abend etwas Taschengeld haben? Wir wollten uns noch einen Film ansehen, der neu ins Kino gekommen ist”, fragte May ihre Mutter.
Diese meinte: ,,Sicher gebt bescheid wenn ihr los wollt”.
Sie aßen gemütlich mit May’s Eltern und gingen danach wieder aufs Zimmer um noch ein wenig für die morgige anstehende Probe zu lernen. Einige Stunden später war es soweit, sie gingen runter und machten sich fertig um sich auf den Weg zu machen.
,,Moment kurz!”, rief Frau Gravin als sie schon fast zur Tür hinaus waren und kam aus dem Wohnzimmer gestolpert. Hektisch suchte sie noch schnell ihren Geldbeutel, doch bevor sie diesen in den Händen hielt kamen noch viele andere Dinge zum Vorschein. Hin und wieder fielen leere Kaugummipapierchen, Taschentücher, eine Nagelfeile und andere Sachen aus der Tasche. Schlussendlich hatte Frau Gravin ihre Portmonee gefunden, drückte ihrer Tochter noch ein 50 Euroschein in die Hand und lächelte sie entschuldigend an: ,,So nun aber viel Spaß ihr Lieben”, kurz danach war sie wieder im Wohnzimmer verschwunden.
Jenni und Chrisi kicherten leise während Maryse mit rotem Kopf die Haustür zu zog. Ihr war es immer noch unangenehm ihren Freundinnen gegenüber, wenn ihre Mutter so schusselig war, dabei kannten sie sich schon seit dem Kindergarten.
Die beiden Geschwister grinsten noch einige Zeit, während sie sich auf ins Kino machten. Auf dem Weg dorthin, machten sie noch bei Chrisi und Jenni zu Hause vorbei um die Rucksäcke abzulegen und ein dünnes Jäckchen mitzunehmen, da es Nachts doch ein wenig frisch war. Chrisi sah auf ihre Uhr: ,,Au Mist, wir kommen noch zu spät, wir müssen uns beeilen!”, rief sie mit leichtem Anflug von Panik in ihrer Stimme und joggte los. May und Jenni waren erst irritiert aber in der Sekunde als sie selbst auf die Uhren sahen und die Info in ihren Köpfen ankam, rannten auch sie los. Fünf Minuten vor Filmbeginn kamen alle Drei völlig aus der Puste am Schalter an.
,,Bitte…..drei Tickets…..für…..für den…..Film…..Tod und ….Verderben zwei….”, bestellte Maryse nach Luft japsend. Jenni hatte sich mit weiser Voraussicht schon mal am Eingang vorbei durch die Masse der Menschen gemogelt und hatte für sie, ihre Schwester und ihre beste Freundin eine Riesen Tüte mit süßem Popcorn und eine große Schachtel an Nachos bestellt. Wie sich dann zeigte, eine gute Idee war, denn der nette junge Kerl hinter Theke musste das Popcorn erst noch frisch machen. Dazu gab es eine große Cola, die sie sich während des Films teilten.
Die Lampen waren schon aus im Saal und die Studios, welche beim Film mitwirkten wurden schon angezeigt, als sie sich leise reinschlichen und ihre Sitzplätze suchten.
Freundlicherweise halfen ihnen die Leute im Saal und navigierten die Drei, sodass sie schnell saßen. Dann begann auch schon der Film und es war ruhig, hier und da hörte man es knistern und knuspern. Zweieinhalb Stunden später war der Film zu Ende, die Lichter gingen gedimmt wieder an und wurden immer heller, bis man den Boden und die Treppen wieder sehen konnte. Sie waren aus dem Kino schon fast draußen als May meinte: ,,Ich muss schon wieder aufs Klo Leute, wartet ihr in der Lobby”
,,Hehe du hast ja auch die Cola fast ganz alleine ausgesoffen”, grinste ihr Chrisi frech entgegen.
,,Ich bin soooo vollgefressen von dem ganzen Popcorn, mir ist schlecht”, beschwerte sich Chrisi.
,,Ach hör mir auf Chrisi, ich bin total voll von diesen Nachos. Die sind aber auch zu lecker im Kino”, stöhnte Jenni, leckte sich die Lippen und rieb sich den Bauch.
,,Ui sieh nur, May lebt doch noch”, lachte Jenni als sie nach fünf Minuten wieder vom Klo kam, als Antwort streckte sie Jenni die Zunge raus und schnitt eine Grimasse.
Schlussendlich hatten die Drei es doch noch aus dem Foyer des Kinos heraus geschafft. Chrisi, die Verfrorenste von ihnen fragte May nach ihrer Jacke, da diese alle Strickjacken bei sich über den Arm hängen hatte. Die anderen Beiden zogen auch ihre Jacken über als kurz danach ein kaltes Lüftchen ihre nackten Arme strich.
,,Sollen wir schon heim oder wollen wir noch ein wenig spazieren gehen?”, fragte Chrisi nach einem unterdrückten Gähner.
May lachte los: ,,Ja sicher gehen wir spazieren, während du am rumgähnen bist Chris.”
,,Stopp mal Mase, du warst diejenige, die am wenigsten von den ganzen Sachen gegessen hatte. Das haben alles Jenni und ich gefuttert, du hast ja nur die Cola gesoffen und essen macht müde”, wehrte sich Chrisi und schnitt May eine Grimasse.
,,Okay lass uns noch eine Runde drehen, auf zum Verdauungsspaziergang!”, freute sich Chrisi und stackste drauf los.
Jenni wollte nach Hause gehen: ,,Leute ich bin so müde”, sagte sie.
,,Ok pass auf, dann laufen wir nur einen kleinen Umweg. Wir gehen durch den Park und nicht geradeaus, dann sind wir nur fünf Minuten später daheim, ist das gut für dich?”, fragte Chrisi.
Doch diese Entscheidung sollte sich noch als Schlafkiller herausstellen. Der Weg zum Park war schon gefühlt unendlich weit, denn Chrisi und ihre Schwester waren immer noch sehr voll von den Nachos und den Popcorn, daher waren sie sehr schwerfällig und langsam unterwegs.
Plötzlich kamen aus dem Nichts fünf Hubschrauber angeflogen, der kleine Stadtpark wurde taghell erleuchtet und es wurde laut. Vier Männer krachten nur einige Meter vor ihnen in den Boden, Staub und Sand wirbelte herum. Schnell versteckten sich die Mädchen hinter zwei dicken Bäumen, die so nah beieinander standen, dass man nicht zwischen ihnen hindurch sehen konnte. Sie drückten sich fest an die Stämme und versuchten etwas zu sehen ohne selbst gesehen zu werden.
Sie hörten Geschrei, Gezeter und etwas was sich anhörte wie Vogelschwingen, die durch die Luft schlugen. Alle Vögel im Park waren aufgeschreckt worden durch den Lärm, flogen auf von ihren Ästen und Nestern und flohen. Kurz darauf waren nur noch die Hubschrauber und die sich bekämpfenden Männer zu hören.
In diesem Moment stupste May ihre beiden Freundinnen, welche wie gebannt auf das Geschehen starrten, an und flüsterte leise: ,,Leute ich muss mal und zwar dringend”
,,Das ist nicht dein Ernst Mase, doch nicht jetzt, das ist total unpassend”, flüsterte Chrisi aufgebracht zurück.
May schlich sich leise davon als sich Chrisi wieder umdrehte. Als sie einige Bäume weiter weg war zog sie die Hose über den Po und pinkelte im halben Stand. Diesmal war sie froh, dass sie Probleme mit Gräsern hatte, daher hatte sie auch Taschentücher dabei und konnte sich abwischen. Sie schlich nochmal einige Meter weiter weg, denn dort gab es einen Brunnen an dem sie ihre Hände wusch. Als sie jedoch zurück schleichen wollte, bemerkte sie, dass es still geworden und der Park gar nicht mehr so erhellt war. Schnell eilte May zurück zu den Anderen, diese waren inzwischen hinter den breiten Bäumen hervorgetreten und waren im Begriff an den Ort des Geschehens zu laufen. Dort angekommen bot sich ihnen ein schrecklicher Anblick. Auf den Boden zu ihren Füßen lag ein Mann, etwa in ihrer Altersklasse, in einer Pfütze aus seinem eigenem Blut. Ob er noch lebte wussten sie nicht, die plötzliche Stille war ohrenbetäubend man hätte eine Nadel fallen hören können.
Scheinbar war der Kontakt soweit untersagt, dass man nur Helis schickte, damit der Kampf sich nicht weiter Richtung Stadt verlegte. Den vermeintlich Toten ließ man einfach liegen.
,,Und was jetzt?”, fragte May mit einem Anflug von Panik und Verzweiflung in der Stimme.
,,Weiß ich nicht, vielleicht sollten wir das melden”, überlegte Chrisi.
,,Bekommen wir dann nicht einfach nur eine Standpauke?”, fragte Jenni.
In diesem Moment hörten sie hinter sich ein leises Ächzen, alle drehten sich gleichzeitig um, scheinbar schien der Tote doch noch zu leben.
,,Jetzt müssen wir ihn aber melden”, meldete sich May.
Jenni gab darauf zu verstehen, dass wenn sie ihn jetzt meldeten, würden sie ihn einfach nur beseitigen, so wie man Ungeziefer eben beseitigt.
Das war allen bewusst, dann entschied Chrisi für sie alle und meinte: ,,Gut dann helfen wir ihm und verstecken ihn irgendwo, wo ihn keiner findet”.
Außerdem sagte sie noch: ,,Wenn dann möchte ich aber nur helfen, wenn alle einverstanden sind damit. Ansonsten lassen wir das und melden ihn”
,,Ich bin für Helfen, scheiß auf die Vorschriften, der Kerl da ist auch nur ein Lebewesen”, schloss sich May ihr an.
Jenni wippte noch einige Male vor und zurück bevor sie ihre Entscheidung bekannt gab und ihrer Freundin beipflichtete: ,,Ja May hat recht, er ist ein Lebewesen und hat damit auch das Recht zu leben und auf Hilfe. Dann lasst uns mal loslegen und uns vielleicht ein wenig beeilen bevor der Tag graut.”
Sie stellten sich um den Verletzten herum und stellten erst mal sicher, dass sie von niemandem gesehen wurden oder dass nicht zufällig doch noch jemand vorbei kam. Nachdem die Lage als save empfunden wurde, wandten sie sich dem Typen und seiner blutigen Pfütze zu, seine komplette Vorderseite war wie durch ein Wunder komplett sauber geblieben. Erst bewegten sie ihn zum Rand der Pfütze, dann drehten sie ihn vorsichtig auf den Bauch und Chrisi fragte: ,,Kannst du ihn bitte ausziehen liebe Schwester?”
Während Chrisi Maryse anwies mit einem Eimer, der wohl von einem Kind im Sandkasten vergessen wurde, das Blut mit Wasser wegzuspülen, hatte ihre Schwester dem Halbtoten das Hemd und die Hose ausgezogen.
,,Nein, ähm.. Ich meinte nur seinen Oberkörper. Ich muss etwas über die Wunden binden, sonst stirbt er an Blutverlust”.
,,Sag das doch gleich Schwesterchen”, antwortete Jenni mit einem Grinsen im Gesicht. Sie stellte sich über den Kopf des Engels und legte ihre Hände unter seine Arme.
,,Ewig kann ich ihn aber auch nicht halten, also beeil dich”, sagte Jenni, bevor sie den Fremden etwas anhob, sodass sein Oberkörper ein paar Zentimeter von der Oberfläche entfernt war. Chrisi beeilte sich und wickelte schnell eine Jacke nach der anderen um den Oberkörper des Engels, sodass die offenen Wunden am Rücken bedeckt waren.
,,Was machen wir jetzt mit ihm?”, schaltete sich May ein. Sie hatte schon weiter gedacht als die beiden anderen.
,,Ich kann ihn nicht mit zu mir nehmen”, sagte May, bevor sie die anderen Beiden anschaute.
,,Also wir nehmen ihn gern…”, bevor Jenni ihren Satz beenden konnte fiel ihr Chrisi ins Wort.
,,Nein, wir nehmen ihn nicht mit! Unsere Eltern würden uns umbringen”
,,Aber…”
,,Nein, mir ist egal wie heiß du ihn findest. Er kommt nicht mit zu uns”, Chrisi wurde langsam lauter.
,,Hey, Mädels, Stopp. Okay, er kann zu keinem von uns aber wir können ihn auch nicht einfach hier liegen lassen. Hat jemand einen Vorschlag wo wir ihn hinbringen können?”
Nach reichlichem Nachdenken und langem Schweigen wollte ihnen einfach immer noch kein passender Ort einfallen.
,,Okay, ich hab keinen Plan. Aber wenn wir nicht bald einen haben, dann stirbt er uns hier an Ort und Stelle”, sagte Chrisi, welche es aufgegeben hatte zu überlegen. Ihr würde eh kein passender Ort mehr einfallen. Plötzlich hellte sich Jenni’s Gesicht auf.
,,Ich hab’s!”, rief sie überglücklich: ,,Wir bringen ihn in das alte Gebäude im Wald”.
,,Welches Gebäude?”, fragte May verwirrt.
,,Jenni und ich haben dort früher immer Verstecken gespielt”, antwortete Chrisi,
,,Ja, da ist ein altes Schulgebäude. Früher war das eine Schule für Söhne aus gutem Hause, aber die Besitzer verloren viel Geld und sie wurde geschlossen. Da sie ungefähr zwei Kilometer im Wald drinnen liegt ist sie nicht besonders bekannt. Also kurz gesagt der perfekte Ort”.
,,In manchen Momenten fällt dir einfach immer das richtige ein, Schwesterchen”, sagte Chrisi mit einem Grinsen.
,,Was heißt hier in manchen?!”, fragte Jenni gespielt empört.
,,Das sag ich dir später. Jetzt müssen wir ihn hier erstmal weg bringen, dann kann ich mich um seine Wunden kümmern”, sagte Chrisi und fügte noch hinzu: ,,Wir brauchen noch Verbandszeug, eine Wundsalbe, eine Nadel, Nähzeug und am besten noch etwas zu Essen und Wasser. Aber nur stilles. Zum trinken reicht es und um die Wunden aus zu spülen kann ich kein Kohlensäurehaltiges gebrauchen. Ach ja und das stärkste Schmerzmittel das du in der Apotheke bekommst”.
,,Ich geh. Bringt ihr zwei den Gefallenen zur alten Schule”, entgegnete May: ,,ich werde den Weg schon finden”.
,,Du musst einfach bei dem alten Baum, der mal vom Blitz getroffen wurde und jetzt ganz verkohlt ist noch circa 30 Meter nach links laufen und dann in den Wald hinein. Dann kannst du die Schule gar nicht übersehen”.
Nach einem kurzen Wink von May, als Zeichen, dass sie verstanden hatte, lief sie los. Erst in den Supermarkt und dann in die Apotheke. Währenddessen tragen die beiden Schwestern den Bewusstlosen in Richtung der alten Schule. Gerade als sie den Wald betreten wollten kam eine atemlose May auf sie zugerannt.
,,Du warst aber schnell”, sagte Jenni zur Begrüßung.
,,Nein, ich war gar nicht so schnell, ihr nur so unglaublich langsam”, stichelte May zurück, wobei sie aber ein breites Grinsen im Gesicht hatte.
,,Du hast ja keine Ahnung, wie schwer der ist”, schaltete nun auch Chrisi sich ein. ,,Geh’n wir lieber schnell weiter, bevor er noch schwerer wird und außerdem müssen wir noch vor dem Morgengrauen wieder zuhause sein. Und behandeln müssen wir ihn ja auch noch. Oh Gott, wie sollen wir das alles schaffen?”
,,Bloß keine Aufregung, Schwesterlein. Wir schaffen das schon, aber langsam sollten wir wirklich rein”. Nach diesen Worten von Jenni machte sich das kleine Grüppchen auf den Weg in den Wald und zum Vordertor der Schule. Als May den ersten Blick auf die Schule warf, wurde ihr klar, das der Begriff Schule wohl nicht ganz richtig war. Es war mehr ein kleines Schloss. Die Fassade war schon alt und der Sandstein grau. Wild wuchs der Efeu an den Mauern entlang hoch. Manche der großen Fenster waren komplett mit dem Efeu überwachsen. Andere wiederum waren kaputt oder einfach nur dreckig.
,,Okay, wir brauchen Licht, aber erst nur eine Taschenlampe, die zweite muss noch voll sein. Die brauch ich dann bei der Operation”, sagte Chrisi noch bevor May vorausging und das eiserne Tor öffnete. Zu ihrer Verwunderung quietschte es nicht einmal. Nun liefen sie alle die kurze Allee entlang bis zu der großen, hölzernen, doppelflügeligen Tür. May öffnete den rechten Flügel, was auch diesmal völlig lautlos geschah.
,,Das Krankenzimmer ist im ersten Stock auf der linken Seite ganz hinten rechts” , sagte Jenni zu May und ließ sie mit dem Licht vorgehen. Um sie herum war es fast stockdunkel. Abgesehen von der Taschenlampe schien nur etwas Mondlicht durch die Fenster. Sie durchquerten die große Eingangshalle und kamen am Fuß der breiten Treppe an. May war sehr angespannt. Sie erwartete, dass jedem Moment etwas auf sie zufliegen würde. Aber nichts geschah. Auch nachdem sie die Treppe hinauf gingen, rechts abbogen und schon ein Stück gegangen waren, passierte nichts. Am Ende des Ganges hielt May kurz an bevor sie die letzte Tür auf der linken Seite öffnete. Im Lichtkegel der Taschenlampe konnte sie einen alten Schreibtisch erkennen. An der linken Wand standen zwei Betten, welche mit großen weißen Tüchern bedeckt waren. Neben den Betten standen zwei hart aussehende Metallstühle, welche offensichtlich für Besucher gedacht waren. Jenni und Chrisi luden den bewusstlosen Kerl schnell auf einem der Betten ab, nachdem May das weiße Laken runtergezogen hatte. Das Laken hatte glücklicherweise den Staub abgefangen, bevor dieser das Bett bedecken konnte. May zog auch das Laken vom anderen Bett herunter.
Währenddessen drehte Jenni den Engel auf den Bauch und Chrisi schnappte sich gleich eine Wasserflasche und wusch ihre Hände notdürftig darunter.
Dann schnappte sie sich noch eine Flasche und das Nähzeug. Jenni hatte den Engel bereits auf den Rücken gedreht.
,,Oh Gott!”, rief Chrisi aus, “Ich hab vergessen dir zu sagen, das wir auch Tücher brauchen. Wenn die Jacken erst mal weg sind wird er Bluten wie nochmal was. Schneid eines der Laken in Stücke, aber schüttel vorher Vorsichtig den Staub ab”, sagte Chrisi zu May und Jenni warf ihr wortlos ein Taschenmesser zu. May begann damit das Laken in Stücke zu schneiden, während Jenni auf Chrisi’s Aufforderung hin vorsichtig die Jacken, welche fest um seinen Körper geschnürt waren, löste. Als sein Rücken frei lag, kam May gerade rechtzeitig mit den Lakenstücken angelaufen.
,,Jeder von euch übernimmt eine Wunde, wo vorher die Flügel waren”, befahl Chrisi den beiden anderen Mädchen. Diese gehorchten wortlos. Allen war der ernst der Lage bewusst. Sie hatten ein Leben in der Hand. Würden sie versagen, dann würde er sterben.
,,Vielleicht sollten wir ihn doch lieber in ein Krankenhaus bringen”, schlug May vor, sichtlich verunsichert wegen der großen Verantwortung.
,,Chrisi schafft das schon”, sagte Jenni voller zuversicht: ,,Du musst wissen unser Vater hat panische Angst vor Krankenhäusern und Ärzten. Also lernt unsere Mutter viel darüber, wie man was behandelt und sogar wie man kleinere und größere Wunden näht. Dieses ganze Wissen hat sie dann an Chrisi weitergegeben, da sie sich für das ganze Arzt-Zeug interessiert und unseren Vater behandeln kann, wenn es unsere Mutter mal nicht mehr gibt”.
Durch diese Erklärung sichtlich schon etwas beruhigter sagte May: ,,Okay, ziehen wir’s durch”.
,,Gut, hebt das Tuch vorsichtig an. Ich werde jetzt Wasser über die Wunde schütten, um den Dreck raus zu waschen. Dann tupfst du vorsichtig die Wunde ab und ich beginn mit dem Nähen. Wenn an einer Stelle wieder mehr Blut austritt tupf es vorsichtig weg”, sagte Chrisi und hoffte, dass May diese ganzen Aufgaben zuverlässig erfüllt.
Bei der ersten Wunde war alles gut gelaufen. Bei der zweiten blutete das ganze etwas mehr, aber am Ende war alles gut überstanden. Operation gelungen und Patient am Leben. Chrisi gab ihm noch etwas Schmerzmittel, damit er wenn er wach wurde nicht durchdrehte vor Schmerzen. Jenni und May steckten ihn unter die Decke, welche noch auf dem Bett lag, während Chrisi das Essen, eine Flasche Wasser und einen Zettel auf das Nachttischchen stellte. Auf dem Zettel stand eine kurze erklärung warum er hier war und das er nicht aufstehen durfte, aber etwas essen und trinken sollte. Falls er aufwachen sollte, war es nur fair wenn er auch erfuhr wo und warum er hier war fand Chrisi.
,,Also, morgen nach der Schule kommen wir wieder hier her und schauen wie es ihm geht”, sagte Jenni.
,,Ja, und wir bringen noch Decken und Kissen mit und noch mehr Essen und Trinken”, fügte Chrisi noch hinzu.
,,Genau und dann machen wir uns Gedanken über unsere Lage und wie es weiter gehen soll”, meinte May.
,,Okay, gehen wir nach Hause”, sagte Jenni und die drei Mädchen verließen das Gebäude.
Wieder am Waldrand angekommen verabschiedeten sich die drei mir Umarmungen und gingen dann in verschiedene Richtungen. Jenni und Chrisi liefen nach links und May nach rechts. May beeilte sich zurück zu kommen, da der Himmel schon langsam grau wurde. Leise sperrte sie die Tür auf und ging in ihr Zimmer. Schnell zog sie sich bis auf ihre Unterwäsche aus, schlüpfte in ihr Schlaf-T-Shirt und ließ sich müde ins Bett fallen. Morgen nach der Schule konnten sie genug über die Situation nachdenken, jetzt war es Zeit zu schlafen. Kurz nachdem ihr dieser Gedanke durch den Kopf schoss schlief sie auch schon ein. Zwar nur ein paar Stunden, weil dann ihr Wecker schellen würde, aber besser als nichts.
Trotz nur der zwei Stunden, die Maryse geschlafen hatte, fühlte sie sich erfrischt und hellwach. Die Schule ging wie immer schnell vorüber, zu Hause bei May machten die drei Freundinnen zügig ihre Hausaufgaben um so schnell wie möglich wieder zu diesem geheimnisvollen Himmelsbewohner zu gelangen. Am Waldrand angekommen fingen die Drei an zu rennen. Als sie bei der alten Schule ankamen und die Gänge entlang schritten, stellten sie zufrieden und mit großer Erleichterung fest, dass alles noch so war wie sie es am vorherigen Abend hinterließen. Maryse fragte etwas ratlos: ,,Was sollen wir jetzt tun, ewig kann er ja nicht hier bleiben, was wenn ihn jemand findet? Ihr wisst doch, dass es verboten ist Himmelsbewohnern zu helfen, sie zu verstecken und mit ihnen zu reden“. ,,Ich finde wir sollten ihn rauswerfen sobald er wach ist und laufen kann“, meinte Christine, empört über die Aussage ihrer Schwester warf Jennifer ein: ,,Wie kannst du nur so fies sein? Das verspricht doch total spannend zu werden!“, ,,Spannend und gefährlich….“, warf Chrisi genervt ein. Doch Jenni war guter Dinge und ließ sich nicht beirren und murmelte lächelnd: ,,Am besten beides“.
Chrisi gab sich endlich geschlagen und meinte schließlich seufzend: ,,Wenn du unbedingt willst, meinetwegen, wenn du dir einmal was in den Kopf gesetzt hast bringt dich nur der Tod davon ab. Besser als wenn du alleine hier bei diesem zwielichtigen Typen bist“. May, die sich bisher aus dem angehenden Streit herausgehalten hatte, meldete sich nun zu Wort: ,,Seid ihr verrückt, was heist hier spannend und außerdem ihr habt doch selbst gesehen, dass er ein Himmelsbewohner ist, wir sitzen im selben Boot und jedes falsche Wort kann uns in Gefahr bringen vorallem wenn wir ihn herumirren lassen“. Doch sie wurde von den beiden Geschwistern überhaupt nicht beachtet, Jenni sagte ironisch: ,,Ach, mein liebes Schwesterchen, was bin ich froh, dass ich dich habe“ und umarmte ihre Schwester herzhaft, diese aber antwortete mit dem gleichen ironischen Ton und einem lächeln: ,,Ja, ja“. Während des Streites hatten die drei Jugendlichen nicht bemerkt, dass der Engel gerade beim aufwachen war. ,,Arrrggghhh….“, waren die einzigen Geräusche, die er von sich gab als May die anderen ermahnte: ,,Hey seid mal leise, ich glaube er wacht auf“. Sofort standen alle um das Bett herum und beobachteten was passierte. Chrisi, die eigentlich nicht so ein Angsthase war, war auf einmal panisch, was man auch an ihrer Stimme hören konnte als sie sagte:,, Er wacht auf“. So wie alle Menschen auf der Welt, reagierten auch die Freundinnen unterschiedlich in dieser Situation, wobei Jenni den Satz: ,,Er wacht auf!“, freudig und aufgeregt hervorbrachte. Total fasziniert seufzte May:
,,Fuck hat der schöne blaue Augen“.
Zum ersten Mal betrachteten sie den Fremden etwas genauer, May schätzte ihn auf 18 Jahre, Chrisi bestritt dies und meinte er ist 19 Jahre alt. Der Engel schlug die Augen erneut auf, fing aber sofort an zu blinzeln, weil er direkt von einem Sonnenstrahl geblendet wurde und versuchte sich hinzusetzen. May, die immer noch von dem Streit der Geschwister genervt war, schnauzte sie etwas unfreundlich an: ,,Kommt und helft mir damit er sich aufrichten kann“. Jenni half May um den Typen in eine angenehme Sitzposition zu bringen doch Chrisi sah nur voller Panik zu der Gestalt auf dem alten Krankenbett und machte keine Anstalten sich zu rühren, dafür machte sie aber einen Schritt zurück: ,,Oh mein Gott der lebt ja“, darauf entgegnete May gereizt: ,,Man Chris, wäre er tot hätten wir ihn liegen lassen oder schon längst begraben, was meinst du warum wir ihn hier verstecken? Bring mir lieber ein Glas Wasser“. Doch Chrisi stand weiterhin wie zur Salzsäule erstarrt da und starrte den Fremden an, woraufhin Jenni einsprang: ,,May halte du ihn kurz alleine, ich geh Wasser holen“. ,,Ja , danke Jenni. Deine Schwester ist ja zu nichts zu gebrauchen“, ,,Ist eben etwas scheu gegenüber Neuem“, meinte Jenni mitleidig als sie das Glas Wasser May gab. „Ich hoffe das geht vorüber, am Schluss erzählt sie es noch jemanden für dessen Ohren es nicht bestimmt ist“, meinte May seufzend. Chrisi, die alles mitgehört hatte fragte schmollend: ,,Hey, vertraut ihr mir so wenig?“, ,,Du bist dir doch bewusst, dass dies ein verdammt großes Geheimnis ist, das auf unseren Schultern lastet?“, fragte May im gegenzug einer Antwort, woraufhin Christine noch mehr schmollte. Um ihre Schwester zu beruhigen tröstete sie Jenni: ,,Hey nicht beleidigt sein Schwesterherz, es war doch nicht böse gemeint und außerdem musst du seine Wunden versorgen, da keiner von uns das kann, also reiss dich zusammen“, ,,J-ja“, stotterte Chrisi und ging mit zitternden Händen auf das Bett zu, zuckte aber bei der ersten leichten Berührung sofort wieder zurück. „Reiss dich zusammen Chris, ich weis du schaffst das“, kam es von May, die sie voll und ganz unterstützte. Von Jenni kam kichernd eine Zustimmung: ,,Hoffentlich und hat er dich gebissen?“, die sich aus ihrer Schwester einen Jucks machte. ,,Lass sie doch in Ruhe“, ermahnte sie May.
Kichernd zog Jenni ab. Aufgemuntert und zugleich wieder wütend über ihre Schwester, holte sie tief Luft, manchmal konnte sie ihre Schwester auf den Mond und noch weiter weg schießen, trotzdem sagte sie: ,,N-nein, ich schaff das“. Sie wandten sich wieder dem Fremden zu und sahen, dass er trotz der Decke, die über ihm ausgebreitet war, zitterte. ,,W-w-wo b-bin ich?“, brachte er bibbernd hervor, voller Zuversicht bekam er von dem Mädchen, das rechts neben ihm saß und ihn in einer bequemen Sitzposition hielt, die Antwort: ,,Du bist in Sicherheit“. Jenni hatte anscheinend keine Ahnung davon wie man richtig mit Patienten umging, wenn sie aus ihrer Bewusstlosigkdeit aufwachten, dessen war sich May sicher, denn das erste was sie machte war ihn auszufragen und das mit einer großen Welle der Begeisterung: ,,Hallo, ich bin Jenni, wer bist du und wie heißt du?“, im gegensatz zu ihrer Schwester war Christine kalkweiß im Gesicht und immer noch verunsichert:,, Ich bin Chrisi. Dreh dich bitte auf den Bauch damit ich deine Wunden versorgen kann“, ,,Hey, hey Leute lasst ihn doch erstmal richtig wach werden“, ermahnt May Jenni und Chrisi. Christine warf einen misstrauischen Blick auf den jungen Himmelsbewohner und zwang sich ein leichtes lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern: ,,Aber…“, setzte sie an, ,, Ich weiß was du sagen willst“, meinte May, die den Blick von ihrer besten Freundin gesehen hatte, ,,Er spürt den Schmerz weniger da er noch nicht richtig wach ist und dass es wahrscheinlich gleich höllisch schmerzen würde. Aber mach dir keine Sorgen, der kann jetzt eh nichts machen“, verspricht ihr May und lächelte ihr aufmunternd zu. Christine war noch gar nicht richtig überzeugt davon:,, Sicher? Ich habe gehört, dass wenn Leute sich bedroht fühlen enorme Kräfte entwickeln, außerdem sieh dir seine Muskeln an, die sind beeindruckend“, an ihre Schwester gewandt fragte sie: ,,Kannst du mir bitte das Medizin Zeug und Wasser bringen?“, ,,Hey hör mal Süße, sieh ihn dir doch mal an, der arme Kerl ist doch selbst total verängstigt“, beschwichtigte sie Maryse. Währenddessen hatte sich seine Stimme anscheinend erholt, denn er fragte mit einer schon etwas kräftigeren Stimme: ,,Wo bin ich?“, ,, In Sicherheit, in einem alten Schulgebäude, weit weg von allem, damit dich keiner findet“, wurde er von May besänftigt. ,,Dass dich keiner findet?“, fragte Jenni und lachte lauthals: ,,das klingt als würdest du gleich über ihn herfallen“, ,,Nein!“, stieß May empört aus, murmelte aber leise: ,,Aber sein Sixpack ist trotzdem der Hammer“ und ließ ihren Blick über den Engel schweifen.
Doch statt angeschaut zu werden bekam sie volle Zustimmung von Chrisi: ,,Ja, nicht schlecht muss man schon sagen“, woraufhin May sie anstarrte, weil sie mit sowas schon gar nicht von Chrisi gerechnet hatte. Das Kichern, das Jenni schon die ganze Zeit von sich gab schwoll zu einem Lachen an, nur unter großen Mühen das Lachen zu unterdrücken soweit es ging quetschte sie hervor: ,,Hey, ihr sabbert gleich!“. Verärgert fuhren May und Chrisi herum und schrien wie aus einem Mund: ,,Blöde Kuh!“. Sie kicherte weiter, grinsend erinnerte May sie: ,,Du warst doch diejenige, die gleich heiß auf ihn war“, ,,Blödmann!“, gab Jenni zurück und versuchte beleidigt auszusehen, musste aber trotz ihrer Verärgerung grinsen. ,, Also zu dir Jüngling“, fragte sie ihn als sie ihm endlich das Wasser gab: ,,Wie heißt du?“, der Fremde trank in großen Schlucken das Wasser aus ehe er antwortete: ,,Mein Name ist Anthuriel“. ,,Ok Anthuriel, dann leg dich doch bitte auf den Bauch damit ich deine Wunden versorgen kann“, meinte Chrisi, plötzlich wirkte er nicht mehr so entspannt, auf einmal war er hellwach: ,,Welche Wunden?“, fragte er resigniert. ,,An beiden Schultern, tiefe Wunden“, sagte Chrisi, das schien alles zu verschlimmern, ,,Wo sind meine Flügel?“, fragte er sie. Mitleidig und mit leiser Stimme erzählte ihm May was geschehen war: ,,Sie haben dir deine Flügel ausgerissen und wir haben die Flügel eingesammelt und mitgenommen, sie sind hier“. Anthuriel liefen die Tränen übers Gesicht als er sich auf den Bauch drehte, im übrigen die Drei hatten noch nie einen Engel weinen sehen, da erstens der Kontakt zu ihnen verboten wurde und zweitens waren sie erstaunt darüber, da alle immerzu erzählten, dass Engel nicht weinen könnten.
Von dem plötzlichen Stimmungsumschwung betrübt meinte Chrisi: ,,Ich könnte sie wieder festnähen aber dazu habe ich nicht das richtige Werkzeug und ich müsste erst noch ein paar Bücher wälzen, außerdem müsste ich sie einrenken um sie wieder mit dem Körper verbinden zu können und es würde zusätzliche Schmerzen bereiten, das will ich nicht“, ,,Dann bringt sie mir“, bat er May, die sofort Jenni losschickte, währenddessen hatte Chrisis Neugierde gesiegt: ,,Bekommst du sie von selbst wieder dran oder wie funktioniert das?“, sprudelten die Fragen nur so aus ihr heraus. Die Neugierde, die in Chrisis Stimme zu hören war, brachte Anthuriel zum grinsen, interessiert und etwas belustigt fragte er: ,,Das wäre ja zu schön. Bekomme ich noch was zum trinken? Wer seid ihr?“. Während Christine das Wasser holte stellte May alle vor: ,,Also ich bin Maryse und die, mit der du geredet hast ist Christine, ihre Schwester Jennifer holt gerade deine Flügel“. Die Geschwister kamen zeitgleich beim Bett an, jeweils mit dem, was sie holten. ,,Hier sind sie“, ,, Bitte, Wasser“. Neugierig fragte sie: ,,Wie dann?“, was wiederum Ariel, wie sie ihn jetzt nannten, zum lächeln brachte: ,,Das wirst du gleich sehen, liebe Chrisi“. ,,Da bin ich aber gespannt“, meint sie skeptisch, als er seine Hände über die Flügel hielt. Sie und Ariel begannen zu glühen, das immer mehr zu einem immer heller werdenden Licht anschwoll, als er mit einer wunderschönen Stimme auf einer ihnen unbekannten Sprache zu singen begann. ,,Wie schön“, murmelte Chrisi: ,,Ja, du sagst es Schwesterchen“, stimmte ihr Jenni zu. Plötzlich war das Licht so grell, dass sie ihre Augen bedecken mussten um nicht geblendet zu werden.Auf einmal war das Leuchten verschwunden genauso wie der Engel aufhörte mit singen.
Verwundert sah Chrisi zu Anthuriel: ,,Sie sind weg“, sagte sie fassungslos, während dieser den schwach glühenden Goldstaub, der dort lag wo vorher die Flügel lagen, in sein Wasser kippte und es austrank. ,,Und was bewirkt das jetzt?“, fragte Jenni unsicher. ,,Wisst ihr eigentlich nimmt man nur eine Feder aber in meinem Fall ist das was ganz anderes, sowas ist noch nie vorgekommen, es hilft wie Medizin bei euch“, erklärte er ihnen.
Auf wackeligen Beinen, mit unsicheren Schritten begab er sich wieder zum Bett und setzte sich hin. Maryse ging hinterher um ihn notfalls zu stützen. Jenni suchte sich einen Platz auf einem der anderen Betten und ließ sich dort erst mal, von dem Geschehen immer noch überwältigt, plumpsen. Die letzte des Trios, schien das wohl gut zu verkraften und machte sich gleich daran nochmal die Verbände und Nähte zu überprüfen. Nach ein paar Minuten der Stille hatten auch Chrisi und May irgendwo im Raum Platz gefunden. Als Jenni das Schweigen schließlich unterbrach und aus dem Fenster schauend meinte: ,,Ich glaube wir sollten langsam nach Hause gehen, die Sonne geht schon unter”, rafften auch die anderen sich zusammen und sahen zu ihr rüber. Nachdem alle sich fertig gemacht hatten um das alte Gebäude zu verlassen und sich vergewissert hatten, dass ihr neuer Freund gut ausgestattet war, meinte Ariel sanft: ,,Ich komm schon durch, im Wald gibt es sonst noch genug Beeren, die ich mir pflücken könnte”. Beruhigt machten sie sich endlich auf den Heimweg.
Am folgenden Morgen standen alle extra Früh auf um nach Ariel zu sehen bevor sie sich auf zum Unterricht machen wollten, doch unterwegs bekamen sie eine Mail, dass Hitzefrei sei. Während sie so ein wenig gemütlicher unterwegs waren, hörten sie plötzlich Sirenen von Polizeiautos in der Ferne heulen.
Erst dachte sich das Trio nichts dabei, doch einige Meter weiter in der Gasse, von der aus man Richtung Wald kam, hingen mehrere Zettel auf denen stand folgendes: “Schwerverletzter Engel gesucht / Tot oder Lebendig”.
Schnell rissen sie die Blätter von der Wand und stopften sie in ihre Taschen: ” Verdammt, wir waren wohl nicht die einzigen, die das gesehen hatten”, raunte Chrisi verärgert vor sich hin und kickte eine auf dem Boden herumliegende leere Dose von sich weg.
,,Hey alles gut Leute, dafür wissen nur wir, wo er ist, solange wir uns nicht verdächtig verhalten, wird niemand verdacht schöpfen”, beruhigte May die Anderen. Jenni meinte nach einer kleinen Pause: ,,Ich denke wir sollten so schnell wie möglich zu Ariel und ihm davon berichten. Ich denke es wäre das Beste, wenn er darüber bescheid weis”. May und Chrisi nickten, dann rannten sie los.
Etwas weiter im Wald angekommen, verlangsamten sie ihr Tempo und blieben an dem alten Baum an der Waldkreuzung stehen.
Völlig außer Atem hockten sich May und Jenni auf den Boden. Chrisi lehnte sich locker gegen den alten Baum. ,,Ich habs euch ja gesagt, trainiert mit mir, denn irgendwann wird es mal für etwas gut sein und jetzt sitzt ihr hier”, sagte sie und grinste schelmisch zu den beiden runter.
May streckte ihr die Zunge raus und Jenni verdrehte die Augen: ,,Ja woher hätten wir denn wissen sollen, dass sowas passiert ? Mit sowas rechnet doch keiner, vor allem nicht wir……wir sind nur irgendwelche Jugendlichen…..hätte jeden treffen können”.
,,Jetzt hat es nun eben uns mal erwischt, kann man nicht mehr ändern, machen wir das Beste draus fertig. Gehen wir nun weiter ?”, meinte May.
Während sie weiter durch den dichten Wald gingen, wunderten sie sich, der Wald sah aus wie in einem Märchen. In der morgendlichen Sommer Sonne glitzerten die Tautropfen auf den leuchtenden grünen Blättern der Büsche und Gräser am Wegesrand. Er roch nach nassem Holz, feuchter Erde. Man hörte Das Rascheln der Blätter und das Knacken der Zweige während man das vergnügte und munterte Zwitschern der vielen Vögel vernahm. Hin und wieder raschelte es irgendwo weiter hinten in Büschen, manchmal sah man hier und da ein Hasen hüpfen, einen Schmetterling fliegen oder sah eine kleine Waldmaus über den schmalen Waldweg huschen.
May meinte erstaunt: ,,Ich wusste nicht, dass unser Wald hier so schön ist morgens”. Sie atmete den herrlichen Duft ein und genoss den Augenblick.
,,Stimmt”, sagte Chrisi und ließ sich ins hohe Gras plumpsen um den tollen Anblick zu genießen. Jenni war derweil ein Stück weiter gegangen und kam hastig zurück zu den Anderen gelaufen. Völlig aus der Puste, keuchte sie: ,,Da …da…..da stehen Fahrräder am Geländer zum alten Gebäude”. Entgeistert sprangen die anderen beiden Mädchen auf: ,,Ist deshalb die Polizei heute unterwegs gewesen ? Oh nein, das darf nicht wahr sein!”. Sie rannten zum alten Gebäude und schlichen sich dann rein um zu sehen wer da drin war. Oben im Zimmer angekommen, wo sich Ariel versteckt halten sollte, war niemand mehr, der Raum war leer. Panik brach aus, es könnte ja alles mögliche passiert sein, vielleicht hatte ihn die Polizei schon oder die Jugendlichen hatten ihn entführt. ,,Aahh …! Mich hat was am T Shirt gepackt !”, schrie Jenni spitz aus. ,,Das geht gar nicht, hier ist niemand, komm wieder runter”, beruhigte Chrisi sie und legte einen ihrer Arme um Jenni. May wollte ihrer besten Freundin schon beipflichten, doch plötzlich erschrak sie zu Tode und stand mitten im Raum zur Salzsäule erstarrt. Wenn man sie genau ansah, konnte man sehen, dass sie Angst leicht bibberte. Chrisi nahm Jenni bei der Hand und schleifte sie mit hinüber zu May. ,,Was ist passiert, was hast du gesehen ?”, fragte sie sie.
Alle wussten, May war nicht diese Person, die man schnell erschrecken konnte, daher konnte es nur ernst sein. Sie redete so leise, dass man ganz genau hinhören musste um sie zu verstehen: ,,D…d..d.dd….da an der …an der Wand… d.d…d..da … war ein …. ein g..g. g…. großer Sch….Schsch….Schatten”. Jenni hatte sich in der Zwischenzeit ein wenig beruhigt und stellte sich nun vor May, welche immer noch mit weit aufgerissenen Augen dastand und reichte ihr ihre Hand: ,,Alles gut Süße, komm mit und setz dich erst mal”, zusammen gingen sie zu einem Tisch und setzen sich darauf. Chrisi stellte sich vor ihre beiden Freundinnen und meinte: ,,Wenn hier was wäre, hätte ich doch sicher auch etwas mitbekommen, ich kann ja nicht immer die Einzige sein, die sowas nie mitbekommt. Also seid so ehrlich bitte, ihr nehmt mich doch auf den Arm oder?”. Die beiden Mädchen schauten sie an, ungläubig was ihre beste Freundin ihnen da gerade unterstellt hatte: ,,Wie bitte ? Warum sollten wir dich verarschen? Wir kennen uns schon so lange seit den Sandkasten aber glaubst uns nicht ?”, Jenni war sehr empört und erbost. Warum glaubte Chrisi ihnen nicht ? Plötzlich, noch bevor sie weiter nachgrübeln konnte, schrie May wieder auf, zu ihrer Überraschung hatte Chrisi gleich mitgeschrien. ,,Was ist denn passiert?”, fragte sie die Beiden, doch keine von ihnen antwortete ihr.
Stattdessen starrten beide mit weit aufgerissenen Augen in die andere Ecke des Zimmers, Jenni folge ihren Blicken und lies ebenfalls einen leisen erstickten Schrei ertönen. Jetzt starrten alle Drei in die gegenüberliegende Ecke, sie hatten alle den Schatten an der Wand bemerkt. Er war groß und sah etwas unförmig aus aber dennoch wie eine menschliche Gestalt, zwar schien die morgendliche Sommersonne in den Raum aber weder am Fenster noch irgendwo im Raum stand ein Gegenstand, der so einen Schatten verursachen hätte können. Bei näherem hinsehen, sahen sie, dass der obere Teil der Gestalt sich leicht hob und senkte, es atmete also. Als sie da so eine Weile standen und weiter beobachteten, meinte Jenni: ,,Sollen wir uns nicht versuchen aus dem Raum zu schleichen?”, ,,Das finde ich eine gute Idee aber wie genau willst du das anstellen, ich mein die Gestalt ist direkt neben der Tür”, flüsterte May zurück. ,,Ich habe mal gelesen, dass sich Engel unsichtbar machen können, ihren Schatten soll man jedoch erkennen können, wenn das Licht nicht zu ihren gunsten fällt”, hauchte Chrisi den beiden zu: ,,Glaubst du also, dass das Ding da vorne Ariel ist?”, fragte May sie und Chrisi zuckte mit den Achseln. Sie hatten einen Augenblick nicht aufgepasst, da überkam die Zwei ein weiterer Schreck: Jenni war nicht mehr bei ihnen!
Voller Panik sahen sie sich um, während sie versuchten den Schatten an der Türe nicht aus den Augen zu lassen.
Schließlich entdeckten sie sie. Ihre beste Freundin spielte mal wieder die Heldin und hatte sich an den Fenstern vorbei auf die andere Seite des Zimmers geschlichen. Jenni war dabei einen Ast aufzuheben als sie die Blicke ihrer beiden Freunde auf sich spürte. Sie schaute zu ihnen herüber und gab ihnen das Zeichen still zu sein, dann sah sie wieder vor zu Türe. Chrisi und May hatten verstanden und warteten gebannt, was wohl als nächstes geschah. May allerdings hatte schon so eine Vorahnung und wie immer behielt sie Recht. “Die Heldin” hatte den Stock bereits fest in beiden Händen, schlich langsam weiter zur Türe und piekste damit in Richtung des Schattens. Dieser wich, als Reaktion, ein Stück von der Tür weg, doch jetzt wollte sie es wirklich wissen und piekste noch einmal in Richtung der Gestalt. Sie zuckten alle zusammen als plötzlich die Abbildung an der Wand verschwand. In diesem Moment hätte man eine Stecknadel fallen hören können, so still waren sie vor Angst. Nicht einmal zu Atmen wagten die Mädchen.
Langsam kam doch ein wenig Bewegung auf und sie machten sich daran, zu Jenni am anderen Ende des Raumes zu schleichen, um nacheinander aus dem gruseligen Raum zu schlüpfen.
Doch so einfach wie sie es sich vorgestellt hatten war es nicht, denn in dem Moment als die andern Beiden bei ihrer Freundin ankamen, hörten sie Schritte draußen am Gang.
Es waren wohl wieder die Jugendlichen mit den Fahrrädern.
Sie redeten über irgendetwas, jedoch konnte man sie durch die dicke Wand sehr schlecht bis gar nicht verstehen. Also taten die Drei das was ihnen in der Situation noch über blieb und krochen zurück in die Ecke nahe der Tür.
Die Schritte am Flur kamen näher und die Stimmen wurden lauter. ,,Scheise, die kommen direkt hier her”, dachte May und versuchte so leise wie möglich hinter einen der Tische zu kommen. Gerade als sie beim Tisch ankam, ging die Klassentüre auf und eine kleine Meute, bestehend aus fünf Buben, betraten den Raum. May konnte gerade noch so ihren Fuß einziehen, bevor sie diesen hätten sehen können.
Drei weitere Jugendliche steckten nur ihre Köpfe durch die Tür und sahen sich um aber blieben dort stehen.
Die Mädchen hatten Glück, denn da die Sonne so grell durch die Fenster schien, konnten sie nicht von der Truppe entdeckt werden.
Niemand von ihnen wusste wie viel Zeit vergangen war, doch Chrisi, die neben Jenni saß, begann langsam sich fast unmerklich zu winden. Sie warf Chrisi einen fragenden Blick zu, diese gab ihr zu verstehen, dass sie langsam mal aufs Klo musste.
Auch unter diesen Umständen, schien ihnen das Schicksal nicht wirklich wohlgesonnen zu sein, denn ein paar der Jugendlichen schnappten sich je einen Stuhl und setzten sich, während die anderen auf den umliegenden Tischen saßen.
Nachdem auch die letzten von ihnen sich dazu gesellt hatten und sich nun auch im Raum befanden, wurde es für Chrisi langsam brenzlig.
May und Jenni konnten beide nichts tun außer zuzusehen wie Chrisi sich leise immer wieder anders hinsetzte und die Kiefer aufeinander presste.
Die Beiden sahen sich erst eine Weile ratlos an, doch dann klärte sich Jenni’s Blick und ihre Miene erhellte sich.
May sah sie fragend an und betete innerlich darum, dass es nicht wieder einer ihrer dummen Ideen war.
Während May noch ein wenig in ihren Gedanken versunken war, hatte Jenni schon angefangen langsam mit zusammen gekniffenen Augen im Raum umher zusehen. Sie sah kurz zu ihrer Freundin rüber und verstand sofort, sie suchte den Schatten, also machte sie sich auch auf die Suche und schaute sich vorsichtig um. Es waren einige Minuten vergangen, das sah sieh ihn kauernd in einer Ecke sitzen, sie machte Jenni darauf aufmerksam und deutete zu ihm hinüber.
Jenni hatte verstanden und nickte ihr dankend zu.