Wer ich bin?
Text: StefShepardRox
Bild: Midjourney
CN: Gewalt, Folter, Hass
Ich bin der nackten Anmut Kummer.
Gefallen in die Hölle des Seins.
Sie haben mich gefesselt, öffentlich an den Pranger gestellt. Bespuckten mich, verbannten mich.
Hass.
Sie nähren sich von Hass. Dämonen allesamt. Meine Dämonen. Peiniger und selbst Vernarbte.
Dann kamen die Höllenfürsten mit Peitschen und Feuer.
Man warf meinen Klagen entgegen, sie wären doch viel mehr als ich, also müssten sie im Recht sein. Das Recht des Stärkeren.
Schlag.
Aufgeknüpft über glühenden Kohlen, baumle ich, einem Sandsack gleich, in Dunkelheit.
Ich höre das Lachen, die hämischen Kommentare, die Witze. Wie sie sich an meinem Leid ergötzen. Daran Wachsen. Pein genährtes Dämonenpack.
Blut.
Ich bin alleine. Die Finsternis umhüllt mich, einer schützenden Decke gleich. Verbirgt ihre bestialischen Fratzen, meine Narben, das Blut.
Was Bleibt, ist Leid. Der Schmerz, innerlich wie äußerlich.
Herzschlag, für Herzschlag.
Dann hallen Schritte in dem Meer aus Dunkelheit. Mein Herz schlägt schneller. Ich zerre an meinen Fessel. Sie schneiden tief ins Fleisch.
Die Peiniger, sie sind zurück. Gekommen um sich an meiner Pein zu laben. Die Zähne gebleckt, im rötlichen Glühen des Kohlebeckens, das mir die Zehen versengt.
Sie stecken weitere Feuerschalen an.
Die Höhle, in der ich baumle, ist unfassbar groß. Ich bin nicht alleine. Es hängen unzählige weitere, wie ich, an schwarzen Stalaktiten, Piñata gleich, herab.
Nun vernehme ich auch ihr Wehklagen. Hielt ich zuvor das ferne Wimmern für einen Widerhall meiner Gedanken, hör ich es nun umso deutlicher. Mehrstimmig, verzweifelt, jeder für sich Alleine und doch so Viele. Aber die Teufel sind mehr.
Entfesselt.
Wie ein nasser Sack stürze ich zu Boden. Die Fesseln gelöst. Tausende, klauenbewährte Pranken packen mich, werfen mich vor eine Treppe, deren Stufen selbst für die Kreaturen zu hoch sind. Schwere Stiefel trampeln über mich.
Zu Klein.
Man stapelt andere, zerschundene Leiber auf mir. Die Bestien klettern auf uns, missbrauchen uns als Trittleiter, nach oben zu gelangen, die nächste Stufe zu erreichen, dem Fürsten der Unterwelt näher zu sein.
Es reicht nicht, wird niemals reichen.
Er duldet keine Konkurrenz. Der Aufstieg der Dämonen unmöglich. Nur manchmal erhebt er einen der Ihren, Die falsche Hoffnung der übrigen anzuheizen.
Sie geben auf, für den Moment. Zwei Fackeln entflammen am anderen Ende der Halle. Ihr Licht erleuchtet eine Leiter. Wir rappeln uns auf. Taumeln ihr Entgegen. Das Dämonenpack steht Spalier.
Sturz.
Oh wie sie lachen, wenn wir stolpern!
Einige erreichen die Leiter, doch auch ihr unteres Ende ist zu hoch für uns. Wir schlagen uns, so viele bleiben zurück, zermalmt unter unseren Füssen. Einige arbeiten zusammen, doch viele werden selbst Dämonen, treten nach unten, sich selbst zu erheben.
Die Luft geschwängert von Blut und Schweiß. Meine Tränen brennen in unzähligen Wunden. Ich mache die Räuberleiter für eine Leidensgenossin. Ein Tritt in die Kniekehle bringt uns Beide zu fall.
Grunzendes Gelächter der Dämonen ist unser einzig Lohn.
Wer sie sind?
Der Teufel ist Mensch, die Dämonen meinen sich das Volk.
Und wir?
Sind Fremde, sind Frauen, sind nicht ganz “die Norm”. Ihre Norm. Unsere Haut, so bunt wie das Leben, gesprenkelt mit Blut. Wir sind die mobile Minderheit, sind queer, sind trans, sind arbeitslos und auch behindert.
Geächtet, zu Fall gebracht, doch unvergessen. Die Trittleiter für Andere, ihre Nase über dem Morast zu halten.
Wir sind marginalisierte Minderheit und doch Legion.
Wer ich bin?
-Ich bin Niemand und doch sie Alle.