Wiwa-Walpurgis

Von chaotisch_aber_liebenswert

Die kleine Hexe war ganz aufgeregt. Im Kamin rumpelte es gewaltig und dann schoss ein Brief aus ihm hervor. In der Luft entfaltete er sich und verkündete mit zuckersüßer Stimme.

„Sehr geehrte*r kleine Hexe/kleiner Teufel, gemessen an deinen Leistungen im letzten Jahr, hat der Walpurgisrat beschlossen, dich dieses Jahr zu den Walpurgisfeierlichkeiten auf dem Blocksberg einzuladen. Bitte finde dich am 30.04 Unpünktlich um 18 Uhr zu den Vorbereitungen ein. Diese Einladung betrifft natürlich auch deine: Tierbegleiter und andere Teufelleien, mit denen du dich umgibst.

Mit höchst unfreundlichen Grüßen

Oberste Hexenrätin Gundula Grausig

PS: Der Brief wird sich nach der Verlesung in einen Besen verwandeln. Verliere ihn nicht, nur er kann dich und deine Begleiter durch den Schleier bringen.

Ein Maul mehr was wir zu Walpurgis stopfen müssen, immer diese Junghexen/Teufel. Die fressen uns noch die Haare vom Kopf. Nein das sollst du nicht mitschreiben. Hör au…“

Der Brief verwandelte sich wie angekündigt in einen Besen. Grinsend nahm der kleine Teufel/die kleine Hexe, den Besen in die Hand. Dies würde ein wahrlich wunderbares Walpurgis für sie.

„Bist du verrückt? Das glaubst du doch nicht wirklich!“ , sagte Axel und paddelte wild mit seinen Ärmchen in seinem Aquarium hin und her und verzog sein Gesicht in eine erschrockene Miene, was bei einem Axolotl gar ungewöhnlich, wenn nicht sogar einzigartig war.

„Im Leben nicht und auch nicht in den 130 späteren werden sich diese alten Schrumpelhexen darauf hinablassen, euch Junghexen an Walpurgis auf dem Blocksberg zu dulden!“, fügte Charls, das kleine Chamäleon hinzu und wechselte hektisch seine Farben von grün zu violett, von  blau kariert zu orange getupft bis kreidebleich.

Die kleine Hexe runzelte ihre faltenfreie Stirn und beäugte den Besen skeptisch von allen Seiten, balancierte ihn auf einem Finger, strich über die Borsten, maß die Länge ab und schätze das Gewicht.

„Er ist einfach perfekt“, wunderte sich die kleine Hexe.

Charls begann langsam wieder seine Ursprungsfarbe anzunehmen, er wurde immer kreidebleich wenn die Nerven mit ihm durchgingen, und beäugte nun genauso skeptisch die kleine Hexe, wie diese den Besen begutachtete.

„Zu perfekt!“, rief Axel und fügte hinzu: „der Besen ist einfach zu perfekt!“

„Was haben sie davon wenn alle Junghexen und Teufel auf den Blocksberg kommen?“, überlegte Charls laut.

„Jede Menge Spaß und gute Laune?“, sprach die kleine Hexe mal wieder total unbedarft und euphorisch aus, was sie gerade gedacht hatte.

„Naive kleine Hexe“, tadelte sie Axel: „als ob diese alten Schrumpelgarken irgendwas von Spaß und guter Laune verstehen würden!“ Axel verschluckte sich glatt am eigenen Aquariumwasser und Charls kam ihm zur Hilfe und klopfte ihm sanft auf seinen Rücken.

Die kleine Hexe gucke ihn wiederum wütend an und Charls probierte die angespannte Atmosphäre etwas zu glätten.

„Axel hat recht!“, sprach er in einem besänftigenden Ton und schaute die kleine Hexe traurig an. Er sagte: „Überleg doch mal, wann waren diese alten Schachteln denn mal nett zu euch? Immer nur bekommt ihr zu hören, ihr seid nicht alt genug, ihr seid nicht häßlich genug, ihr stinkt nicht genug, ihr seid nicht böse genug oder ihr fliegt noch nicht gut genug.“

„Für das letzte Problem haben wir doch jetzt den Einladungsbesen.“

„Genau das ist es doch!”, Japste Axel, der gerade aufgehört hatte zu husten und langsam wieder zu seiner normalen Atmung zurück gefunden hatte.

„Da muss ich ihm recht geben“, sagte Charls. „Warum sollten sie euch 666 Jung-Hexen und -Teufel einen perfekten Einladungsbesen zur verfügung stellen um euch sicher durch den Schleier zu geleiten? Den Schleier weben diese Schrumpeltanten doch jedes Jahr extra um euch Jung-Hexen und -Teufel vom Blocksberg fern zu halten.“

„Das stimmt nun auch wieder“, die kleine Hexe ließ sich resigniert auf ihren Sitzpuff fallen und warf den perfekten Einladungsbesen so geschickt richtung Tür, dass er kerzengerade in ihrem Reisigkorb zum stehen kam.

Auf einmal rumpelte und zischte es, Charls blies schnell die kleine Flamme im Kamin aus als Luzifer der 7.643.789 , der Einfachheit wird er aber nur Luz genannt, krachend auf der grad verloschenen Glut im Kamin zum Vorschein kam.

Eine riesige Staubwolke erfüllte das kleine Hexenhaus und hustend brachte Luz gerade ein „Hi“, zustande und ein leicht gequältes: „hast du auch diesen Brief beko…“ das letzte Wort endete in einem Hustenanfall.

„Oh Luz!“, Die kleine Hexe murmelte einen kurzen Zauberspruch, die Staubwolke löste sich in Luft auf und sie half ihrem besten Freund, (natürlich neben Charls und Axel), auf die Füße und schloss ihn in ihre Arme.

„Ich kriege keine Luft“, japste er und die kleine Hexe löste sich von ihm.

Beide setzten sich an ihren schlichten schiefen Küchentisch und Luz lies Hannelore, seine treue Kakerlake aus seinem Ärmel krabbeln, welche sich gleich aufmerksam auf dem Küchentisch nieder ließ.

Die kleine Hexe holte ihre Zuckerdose und schon begann Hannelore etwas auf den Tisch zu schreiben.

Vielleicht sollte dazu erwähnt werden, dass Luz der einzige war, der fehlerfrei Hannelores Kommunikationsebene verstand und Hannelore daher Blitzschnell alles was sie sagen wollte mit Zucker auf den Tisch schreiben konnte.

Charls hatte zwar in den zwei Wochen, die Luz und Hannelore wegen eines Wasserschadens in Luz kleiner Teufelshöhle, im Hexenhaus verbracht hatten, viel von ihrer Kommunikationsart erlernt. Allerdings konnte so auch die kleine Hexe die Gedankenwelt der kleinen Kakerlake verstehen.

Sie brachte auch klar zum Ausdruck, dass diese Einladung mächtig stinkt und sie dahinter irgendeinen perfiden Plan der alten Hexen vermutet, der darauf abzielte entweder die Anzahl des Nachwuchses zu verringern oder gar alle zu eliminieren.

Die kleine Hexe winkte mit zwei Handgriffen zwei Tassen und einen Teller herbei, die sich ohne Schaden zu nehmen auf dem Tisch platzierten. Luz wackelte einmal mit seinen Augenbrauen und schnalzte mit der Zunge und schon erfüllte der Duft von heißer Schokolade und leckeren Ingwerkeksen das kleine Hexenhaus.

„Wenn es nicht schon morgen wäre, könnten wir unseren Jung-Hexen und -Teufels-Rat einberufen,“sagte Luz.

Aber dazu ist es definitiv zu wenig Zeit , überlegte die kleine Hexe.

„Das Hauptproblem ist doch eigentlich der Schleier“, Luz trommelte mit seinen Fingern nachdenklich auf den Tisch. Kleine Funken stiegen dabei in die Luft um dann nach kurzer Zeit zu erlöschen.

Die kleine Hexe kannte natürlich ihren besten Freund. Deshalb hatte sie nach ihrem letzten Streit, bei dem Luz fast das ganze Hexenhäuschen aus versehen abgebrannt hatte, alles mit einem feuerfesten Zauber belegt. Gut, es kam auch der kleinen Hexe selber zugute. Zwei Tage zuvorl musste sie einen Teil des Daches erneuern, weil ihr etwas schief gegangen war. Denn ausgerechnet das Dach hatte sie vergessen zu verzaubern.

„Ich hab’s!”, rief Luz: „Wie wäre es, wenn wir einen unserer Einladungsbesen alleine durch den Schleier fliegen lassen, um aus sicherer Entfernung zu überprüfen, was uns hinter dem Schleier erwartet?

Und den anderen Besen behalten wir bei uns, um durch den Schleier zu fliegen, wenn die Luft rein ist oder um zu verschwinden?”

„So machen wir es”, sagte die kleine Hexe: „Aber was dann?”

„Na entweder kommen wir durch oder wir bekommen die grauenhafte Wahrheit zu sehen, hoffentlich bevor die Oberhexe dahinter kommt und uns nachstellt.”

„Ich komme mit”, rief Charls und auch Hannelore gab mit ihrer zuckerschrift klar zu verstehen, dass sie mit von der Partie war und Wieder Worte eh im Zucker verlaufen würden.

Den Rest des Tages verbrachten Luz und die kleine Hexe damit sich, als Attrappen aus alten Kleidungsstücken und Stroh zu basteln.

Nicht dass die beiden das in wenigen Minuten, durch Magie, hätten erledigen können. Aber sie hatten einfach viel zu viel Spaß dabei, ihre Ebenbilder, selbst per Hand zu erschaffen, sich eine schlacht mit dem Stroh zu liefern und nur die Kleinigkeiten wie die Anpassung des Gewichtes magisch vorzunehmen.

Abends grillten sie Gemüse und kleine Würstchen über der kleinen Feuerstelle im Garten der kleinen Hexe und betrachteten die Sterne, bis ein Gähnen das andere ablöste und sie sich in die Hängematten im Hexenhäuschen zurück zogen und in einen friedlichen Schlaf herab sanken.

Am nächsten Morgen wachten die beiden Freunde ausgeschlafen, aber auch etwas aufgeregt auf.

Sie schnappten sich ein kleines Frühstück, Hannelore krabbelte in den Ärmel von Luz, Charls nahm wie immer in der Rocktasche der kleinen Hexe Platz und schon machten sie sich mit den Attrappeb auf den Weg zum Blocksberg.

Kurz bevor der Schleier in Sicht kam, landeten sie unter einer sehr sehr alten Eiche und ließen sich in einer großen Astgabel nieder.

Es war mucks Mäuschen still und die Vier blickten angespannt zum wabernden Schleier, der den Blick auf den Blocksberg versperrte.

Die Nacht war Klar und viele kleine Lichtpunkte funkelten am Nachthimmel.

„Und jetzt?“, fragte die kleine Hexe leise.
„Lassen wir mal unsere Attrappen fliegen“, beendete Luz ihren Satz.

Mit einem kleinen Schubs machte sich der erste Einladungsbesen auf den Weg. Er schwebte drei Mal links und drei Mal rechts um den Schleier und bahnte sich dann einen Weg hindurch.

Angespannt und wie kleine Statuen verharrten die Vier in der Astgabel. Man hätte eine stecknadel fallen hören, so still war es. Charls lugte vorsichtig aus der Rocktasche der kleinen Hexe und auch Hannelore wagte einen Blick aus Luz Ärmel.

Und Plötzlich brach hinter dem Schleier ein riesen Tumult los! Schreie, Verfluchungen und ein ohrenbetäubender Lärm erfüllten die Nacht! Eine riesengroße Stichflamme schoss aus dem Schleier empor und die dunkle Nacht wurde auf einen Schlag taghell.

Erschrocken starrte die kleine Hexe mit ihren Freunden in die Nacht, dann duckten sie sich erschrocken in ihrer Astgabel, als das Geschrei und Gezeter immer lauter wurde.

„Zeit zu verschwinden“, fasste Charls die Situation treffend zusammen und so schnell sie der Besen tragen konnte rasten sie zurück zum Häuschen der kleinen Hexe.
Kurz vor der Tür zerfiel er zu Staub und die kleine Reisegesellschaft flog im hohen Bogen durch die gerade aufschwingende Tür, rollten über den Küchenboden und landeten unsanft vor dem Kamin. Die Tür fiel sofort ins Schloss und Axel betätigte gerade rechtzeitig den schließmechanismus der absolut Hexensicher war.

Ein Sturm zog auf und das Rauschen vieler heranrasender und vorbeisausender Hexenbesen war zu hören. Luz, Hannelore, Axel, Charls und die kleine Hexe krochen reflexartig unter den schiefen Küchentisch und hielten die Luft an. Nach kurzer Zeit, als der erste Sturm vorüber war flüsterte Charls: „sollten wir uns nicht vielleicht etwas unauffälliger verhalten?“

Mit einem Kopfnicken krochen sie unter dem Tisch hervor und sie ließen sich mit einer Tasse heißen Kakao gehüllt in viele Decken und gebettet auf großen bunten Kissen vor dem Kamin nieder. Sie froren alle erbärmlich.

Das laute Klopfen an der Tür ließ sie zusammenzucken und der kleinen Hexe lief ein Schauer über den Rücken.

„Ihr verdammtes Junghexen und Teufelspack! Das werdet ihr uns büßen!“, schallte die Stimme der Gundula Grausig der obersten Hexenrätin durch die Nacht.
„Wenn ihr denkt, dass ihr uns mit euren Spielchen verärgern könnt, dann liegt ihr damit verdammt richtig! Wartet nur ab, euch Gesindel wird eure Aktionen noch leid tun!“

Wutschnaubend wendete sie ihren Besen und wild schimpfend erhob sie sich wieder in den Nachthimmel und schloss sich dem Zug der anderen Hexen an.

Erleichtert atmeten die 5 Freunde durch.

„Mmmmhhhh…“, seufzte die kleine Hexe erleichtert.

„Weißt du was mich interessieren würde?“, fragte Luz in die Stille an niemanden direkt gewandt.
„Was denn?“, flüsterte die kleine Hexe.
„Dem Anschein nach waren wir nicht die einzigen, die der Einladung, nicht so ganz getraut haben. Mich würde schon interessieren, was die anderen sich überlegt hatten.“
„So wie sie getobt hat, haben wir wohl das Feuer, zum in die Höhe schießen gebracht“, kicherte die kleine Hexe.
„Wartet nur ab, die Antwort auf eure Fragen wird bestimmt nicht lange auf sich warten lassen“, sinnierte Axel. Zustimmend nickend, tranken sie vor dem Kamin ihren warmen Kakao und entspannten sich langsam.

Dann erzählten sie Axel in allen Einzelheiten von ihrem Erlebnis beim Blocksberg.  Man hörte die kleine Gesellschaft immer wieder Gickern und glucksen als sie sich ausmalten, was die anderen wohl mit den Hexen getrieben hatten, bis sie zusammengekuschelt vor dem Kamin im Hexenhäuschen der kleinen Hexe entspannt, und mit einem Lächeln auf den Lippen, einschliefen.

Ende