Blutnachricht
CN: Blut, Gewalt, Mord, Zwang
Kapitel 1 – Blutnachricht
Kalter, grauer Stein, handgeschlagen. Moos in Ritzen. Wurzeln, die aus der rissigen Decke drangen und alte Balken umschlossen.
Still schwebte ein Mann aufrecht über dem Boden. Die Augen geschlossen, der Leib entblößt. Dunkles langes Haar, das weich auf breite Schultern fiel. Helle bleiche Haut beleuchtet von sanft flackernden Kerzen. Ein anderer in schwarzem Mantel mit Kapuze wusch sich an einem kalten steinernen Becken die Hände. Ein Summen, ein Flüstern. Der Dunkel gekleidete drehte sich um. Die Geräusche verstummten. Ein Lächeln im Schatten liegend schritt er um den Schwebenden herum.
»Es ist Zeit, zu beginnen, mein Lieber. Die Gesellschaft dankt dir für dein Opfer, auch wenn ich es dauere. Solch ein schönes Wesen für so einen niederen Zweck zu vergeuden, in einer anderen Welt hätten wir viel Spaß miteinander haben können.«
Sanft, fast liebkosend strich er über nackte Haut und glitt an ihm vorbei auf einen massiven braunen Tisch zu.
Der Schwebende regte sich nicht. Seine Augen wirkten matt, weggetreten.
»Was war das? … Nein es muss sein, du hattest dem Ganzen zugestimmt! Die Magie fließt bereits und schau mal, dein Gast ist doch schon da, um bei unserem Wirken in der ersten Reihe zu sitzen!«
Der Redner nahm einen kleinen, schwarzen Stab zur Hand. Kurzzeitig wurde sein Lächeln grün schimmernd beleuchtet. Die Lippen formten Worte, die Worte gestalteten Licht, welches seinen Mund verließ, den bleichen Hals herablief, unter dem Mantel verschwand und am rechten Ärmel wieder heraus in den Stab lief.
Der Schwebende regte sich, der Kopf fiel in den Nacken und seine Lippen formte ein leises Stöhnen. Über ihm begann es grün zu glimmen. Der Zauber legte sich auf den feinen Mund, verschmolz mit dem Fleisch und das Gesicht des Mannes schnellte nach vorn und er schrie. Die Haare standen wie von einem Blitzschlag getroffen in alle Richtungen ab. Zierliche rote Risse bildeten sich auf der haarigen Brust des Schwebenden und dünne Blutfäden begannen ihre Wege über bleiche Haut zu suchen. Liefen um den Bauchnabel, verfingen sich in drahtigen Haaren an den Beinen und tropften von feingliedrigen Zehen.
»So ist es gut. … Was? Nein, der Schmerz gehört dazu, du wolltest es so. Ich hatte dir gesagt, einmal begonnen, kann es nicht gestoppt werden. Und sieh, welch einen Schrecken es bei deinem Gast auslöst. Denke an die, die du rettest.«
Mehr Blut rann an dem Schwebenden herab. Eine große blutige Pfütze bildete sich unter ihm. Berührte in den Boden gemeißelte Kreise und Linien, lief in sie hinein, füllte sie vollständig aus und verteilte sich in diesen über den ganzen Stein, bis sie auch den dunkel Gekleideten in einem komplexen roten Ornament einschlossen. Dieser hob den Stab, das Summen wallte auf. Das Flüstern in einem tiefen Bariton füllte den gesamten Raum.
Die blutigen Linien liefen über, das Rot verbreitete sich nicht mehr, sondern tropfte der Schwerkraft trotzend nach oben, formte ein feines Geflecht, das sich in einem Ikosaeder um den Mann herum bildete. Eine perfekte geometrische Form. Die Schreie des Schwebenden verstummten. Dieselben Muster rot auf bleicher Haut.
»Du hast es gleich geschafft.«
Der Redner hob den Stab wie ein Dirigent, neuerliches grünes Funkeln, das in die blutigen Muster floss, sie braun verfärbte. Wie in Zeitlupe zerfiel das Blutgebilde, weiße Haut schälte sich vom Körper und legte Muskelgewebe frei, das sich in schwarzen Flocken auflöste, zur Decke stieg und blanke Knochen entblößte, die klappernd zu Boden fielen. Ein bleicher Schädel, mit leerem Blick auf den Seher gerichtet.
»Es ist Zeit, aufzuwachen.« Sprach der Mann und sah ihn direkt an.
»Sag deinem Meister, dass er bei Sonnenuntergang, auf dem einsamen Plateau zu erscheinen hat. Der Konflikt wird heute ein Ende finden. Genügend Wesen haben durch unsere Fehde ihr Leben verloren. Also los, kleiner Seher, es ist Zeit, überbringe ihm die Nachricht, du weißt, was dir blüht, wenn du meinen Worten nicht Folge leistest.«
Kapitel 2 – Erwachen
Die Nacht war noch jung. Er erwachte schreiend und wurde von den Wachen in den hohlen Baum im Zentrum des Dorfes gebracht. Die Kleidung klebte an seiner Haut. Als Seher der druidischen Vereinigung des immergrünen Waldes von Schwarzmoor, oblag es, ihm den Feind in nächtlichen Traumreisen auszuspähen. Aber dass die Gegenseite ihn bewusst rief und zwang, bei einem ihrer blutigen Rituale zuzusehen, war neu. Er wusste, was der Zauber zu bedeuten hatte, ein Fluch war gewirkt worden. Einer, der ihn als Opfer auserkoren hatte und der seinen Leib von innen auffressen würde, wenn er nicht tat, was von ihm verlangt wurde. Er verschob seine Wahrnehmung und sah mit Schrecken, wie das rote Geflecht seinen Geistbegleiter in einen undurchdringlichen Käfig einsperrte.
»Sprich doch endlich Kaylag« Drang die Stimme des Anführers Lalac auf ihn ein.
»Sie fordern dich heraus, sie wollen es heute zu Ende bringen. Laut dem Mann, der mich verflucht hat, sind sie der Meinung, dass genug Wesen dem Zwist zum Opfer gefallen sind.«
»Und du bist dir sicher?«
»Wie sollte ich es nicht sein, heb deine Sicht, sieh dir an, was sie meinem Geist angetan haben!«
Lalac nickte. »Ich habe gegen ihren Anführer keine Chance.«
»Das ist mir gleich, wenn du nicht gehst, sterbe ich.« Ein stechender Schmerz durchzog seinen Arm, er löste den Faden, der die Kleidung hielt, stand auf und ließ sie fallen. Erschrocken wich Lalac mit einem scharfen Zischen zurück.
»Siehst du, was es mit mir macht?« Braune Linien liefen über die Haut des Sehers und bildeten die Muster, die er aus dem Traum kannte. »Wenn du nicht gehst, werdet ihr mich verlieren.«
Lalac schnaubte.
»Dickköpfig wie immer. Die unseren sind wegen deines Zwistes, gegen die Blutigen vorgegangen. Haben ihre Leben gelassen für einen Konflikt, den du begonnen hast. Es ist an der Zeit, dass du handelst. Hör auf, dich auf dem Glauben auszuruhen und nimm unsere Opfer ernst.«
»Auf dem Glauben ausruhen? Wer bist du mir so etwas vorzuwerfen. Die Blutigen sind unrein, sie müssen vernichtet werden, der Konflikt wird nicht enden, solange noch einer von ihnen lebt. Nein, ich werde mich nicht beugen, ich werde nicht zum Plateau gehen.«
Ein erneutes Ziehen. Jede Weigerung Lalacs sandte neue Wellen des Schmerzes durch Kaylags Leib. Er würde ihn sterben lassen, für eine Religion, die nur den Tod brachte?
Der Anführer schien seine Gedanken zu ahnen und wetterte weiter. »Ich opfer dich nicht, wenn dein Glauben stark genug ist, wird das Licht Sistris deinen Leib schützen und von diesem Fluch befreien. Doch du warst ja immer schwach, Kaylag. Als Seher unserer Gemeinschaft bist du eine völlige Enttäuschung.«
»Sagt der, der zu feige ist, sich dem Gegner zu stellen. Nun gut, dann ist dem so, durch dein Handeln bin ich zum Tode verurteilt, doch wenn ich fort bin, werdet ihr alle fallen.« Kaylag versuchte die Worte, so kühl wie möglich zu sprechen, aber die Angst rumorte in ihm und seine Stimme brach. Er zog die Kleidung behelfsmäßig um den Körper, drehte sich um und rauschte aus dem hohlen Baum heraus.
»Komm zurück, wir sind noch nicht fertig, erst wenn du mir alles erzählt hast, wer war der Blutige, der dich verflucht hat?«
»Doch sind wir«, polterte er und schrie auf, weil ein weiterer Stoß an Schmerzen durch seinen Körper jagte.
Wie konnte er so leichtgläubig sein und hoffen, dass Lalac handeln würde, wenn es um sein Leben ging. Er war der einzige Seher und er ließ ihn einfach vergehen. Wie sollte die Gemeinschaft weitermachen, sobald er fort war? Durch seine Warnungen konnten so viele gerettet werden. Wut stieg in ihm auf und er hörte, ohne den Blick auf die andere Ebene zu legen, wie sein Geistbegleiter aufschrie und sich angestachelt von der Wut gegen den Blutkäfig warf und selbst verletzte. Er hob die Sicht und sah, wie jede Berührung das Fell des Geister-Schneefuchses schwärzte.
»Beruhige dich« sprach er dem Wesen sanft zu und ließ einen Heilzauber durch das Gefängnis rieseln. Er war wesentlich schwächer als sonst, aber sein kleiner Fuchs beruhigte sich. »Er wurde dir aus einem Grund gegeben« klang die Stimme eines früheren Lehrers in seinem Kopf nach. »Füchse sind schlaue Begleiter und Schneefüchse insbesondere. Sie schaffen es, in den unwirtlichsten Umgebungen ihren Weg zu finden und zu überleben.«
Er hatte so recht. Wenn er doch nur noch wäre, aber auch sein Leben wurde in diesem so grausamen Konflikt beendet. Er musste etwas tun. Sollte er sich dem Anführer der Blutigen am Abend stellen? Nein, so viel Zeit hatte er vermutlich nicht. Vielleicht würde er lieber den Fluchweber aufsuchen, aber wie?
Der kleine Fuchs sah ihn aus seiner misslichen Lage heraus ruhig an. Sein Blick berührte seinen Geist, beruhigte ihn, linderte seinen Schmerz. »Du hast recht, wir finden einen Weg, ich muss nur Vertrauen in meine Fähigkeiten und mich haben.« Er würde gehen, die Gemeinschaft verlassen. Eilig steckte er sein karges Hab und Gut in den kleinen Rucksack, den ihm Weonka zu seiner bestandenen Prüfung schenkte, der völlig ausreichend war, um alles, was er besaß, zu verstauen. Zwei grobe Wollhosen, drei graue Hemden und ein wenig zu essen. Da es kühl war, warf er sich den dunkelgrünen Umhang über die Schultern und steckte ihn mit einer Knochenfibel an der Weste fest, die er trug. Ein letzter Blick, dann rannte er aus dem Zimmer.
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