Das alte Buch

Text von Gipfelbasilisk

Bild von MoldyVintage Photo von Pexels


Weron rannte von Geschäft zu Geschäft, er brauchte unbedingt ein Geschenk. Er hasste Weihnachten und diese ganzen Traditionen heuchlerischer Gläubiger, die der Meinung waren, es reiche einmal im Jahr nett zueinander zu sein. Er sah, wie ein Kerl einen alten vermutlich Obdachlosen Mann auf der Straße unflätig anschimpfte, und zu Heiligabend würde der Kerl dann in der Kirche sitzen und etwas von Nächstenliebe schwafeln. Weron ging zu dem alten Mann und half ihm auf die Beine. Er hatte die Telefonnummer für das Kältetaxi immer im Handy gespeichert und war schon versucht die Nummer zu wählen. Es stellte sich aber heraus, dass der alte Mann nur gestürzt war. Nachdem Weron sichergestellt hatte, dass er keine weitere Hilfe benötigte, suchte er wieder nach einem Geschenk.
Die meisten Geschäfte hatten schon geschlossen oder waren im Begriff zu schließen. Es leuchtete ihm, aus einer kleinen Gasse ein Schaufenster entgegen. Diesen Laden hatte Weron noch nie gesehen. Er öffnete die Tür und befand sich in dem seltsamsten Geschäft, das er sich nur vorstellen konnte. Überall standen Steine rum, die sonderbar funkelten und glitzerten. Tiere schauten ihn aus verschiedensten Terrarien an und er erkannte keines davon. Eins sah einen Moment wie eine kleine Echse aus, aber da musste er sich getäuscht haben, denn ein Augenzwinkern später hatte das Tier einen Panzer, in den es sich zurückzog. Weron schritt durch die Gänge. Ein schwerer Duft nach Patschuli lag in der Luft, der sich bitter auf seine Zunge legte. Wie sollte er hier ein passendes Geschenk finden?
„Kann ich ihnen helfen?“
Weron drehte sich erschrocken um. Vor ihm stand eine Frau in bunter, wallender Kleidung. Auf ihrem Gesicht waren seltsame Muster eintätowiert. Nur wenige Stellen hatten keine Farbe abbekommen, an diesen hing diverser Schmuck. Er hatte den Eindruck, als würde ein lebendes Kunstwerk vor ihm stehen.
„Danke für das Kompliment. Es hat lange gedauert, die Muster so perfekt zu stechen.“
Er wich einen Schritt zurück, ihre Hand schnellte vor und griff nach der seinen, bevor er einem Regal, mit empfindlichen Inhalt, zu nahe kam.
„Aber, aber. Nicht so schreckhaft mein Junge! Wir werden schon etwas Passendes für deinen Schatz finden! Bei mir bist du in guten Händen!“
„Wieso, woher wissen sie?“
„Da brauchst du doch nicht rot zu werden, schauen wir mal!“
Die Frau schritt ohne ein weiteres Wort durch die Regalreihen.
„Ihr mögt beide Weihnachten nicht sonderlich. Gut, das ist offensichtlich, sonst wärst du nicht bei mir gelandet.“
Weron nickte und musste niesen, als sie ein Buch aus dem Regal zog und Staub herab viel.
„Ich glaube, das könnte deinem Schatz gut gefallen, ich habe es schon so lange, ich denke, es hat auf diesen Abend gewartet.“
Weron lächelte, sie hatte recht gehabt, sie hatte etwas Passendes für seinen Schatz gefunden. Mit geübten Fingern schlug sie es in ein braunes simples Packpapier ein, legte einen Lavendelzweig auf das Geschenk, goss Wachs über den Zweig und befestigte es mit einem Siegel. So schlicht die Verpackung war, so schön sah sie aus. Er gab ihr das Geld, aber sie ergriff seine Hand und schaute ihn eindringlich an.
„Denke nicht so schlecht über die Menschen, nicht alle sind so. Und jetzt raus! Ab mit dir, ich werde nun schließen und du willst doch nicht zu spät kommen. Er wartet schon bei seinen Eltern auf dich!“

Weron war nervös. Hoffentlich hatte er das passende Geschenk, führ ihn.
Aber dann ging alles schnell. Sein Schatz öffnete ihm die Tür und er wurde, seinen Eltern vorgestellt. Er hatte nicht erwartet, so warm aufgenommen zu werden und die alte gebundene Ausgabe von Krabat, von 1971, war genau das richtige. Seiner Mutter kamen die Tränen. Weron wusste nur, dass sein Schatz dieses Buch mal besaß, aber es ging verloren. Seine Mutter erzählte, dass es seinem Großvater gehörte, und der hatte es an ihren Sohn weitergegeben.
Im Geiste dankte Weron der Frau in dem seltsamen Geschäft und als er ein paar Tage später an der Straße vorbeiging, war der Laden verschwunden.