Es war einmal ein Kätzchen

Text von:
Ninjakuerbis

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Es war einmal in einem kleinen Dorf am Rande des Waldes eine wunderschöne junge Grafentochter. Alle Männer und einige Frauen im Dorf bemühten sich um ihre Gunst, doch trotz ihrer Güte und Freundlichkeit schien keiner je ihr Herz zu erwärmen. Als der Winter das Dorf langsam verließ und die ersten Sonnenstrahlen den Frühling ankündigten direkt an Imbolc, wenn die Tage wieder länger werden, verkündete die Frau es sei an der Zeit sie fände einen Partner. Doch um sich selbst den Gram der vielen Verehrer zu ersparen habe sie einen Plan entwickelt. Die Grafentochter besaß eine kleine Katze, deren Fell von demselben feuerrot war, wie das Haar ihrer Herrin. Der Katze legte sie ein Band um den Hals an dem ein alter, verzierter Schlüssel baumelte. Dies sei der Schlüssel zu ihrem Herzen und wer auch immer es schaffen sollte ihn der Katze vor Litha, der Sommersonnenwende, zu entnehmen, solle ihre Hand erhalten. Sollte es jedoch niemandem gelingen, so haben sich alle von ihr fernzuhalten und sie solle nie wieder einen Verehrer begrüßen müssen.

Nun begab es sich, wie die Geschichte uns schon immer zeigt, dass habgierige Menschen grausam und unaufhaltsam waren. Alte und junge Leute aus dem Dorf jagten die Katze zwischen den Häusern, stellten ihr hinterhältige Fallen und der ein oder andere griff zuweilen zu böseren Mitteln dem Tier habhaft zu werden. Doch das Kätzchen war schnell, schlau und wendig. Immer wieder entkam sie den Jägern und ihren Fallen, mochten sie noch so gut gestellt sein.

Eines Frühlingsabends ergab es sich, dass die junge Bäckerin, ein fleißiges, schüchternes Mädchen das Jaulen der Katze vernahm. In einer Gasse fand sie das arme Tier in einer Falle, welche ihr den Fuß verklemmen sollte, bis einer der Jäger sie entdeckte. Voll Mitleid befreite die Bäckerin das Kätzchen, setzte sie in ihren leeren Brotkorb und nahm sie mit zu sich nach Hause. In der Bäckerei fütterte sie das Tier mit Sahne und verband ihm die kleine Pfote. Auch wenn die Bäckerin nicht abstreiten konnte, dass sie die Grafentochter begehrte wie jeder andere hier im Dorf, würde sie sich nicht auf einen solch grausamen Wettkampf einlassen und ließ die Katze schon bald wieder ziehen, den Schlüssel noch immer sicher an ihrem Halsband.

So zog sich die wilde Jagd durch das gesamte Frühjahr, über die Aussaat an Ostara und die Lagerfeuer an Beltane bis Litha, und damit auch der Sommer, immer näher rückte. Die Jäger wurden grausamer und hinterhältiger, doch die Katze hatte eine Verbündete gefunden in ihrer Hatz. Wann immer sie vor Erschöpfung zusammenzubrechen drohte oder jemand ihr ganz zu nah kam, flüchtete sie sich in die Backstube, wo die Bäckerin auf sie wartetet, mit einem Schälchen Sahne und aufmunternden Worten.

Die Nacht vor Litha, kurz vor dem offiziellen Beginn des Sommers und dem Ende des Kampfes um das Herz der jungen Frau, verbrachte das Kätzchen wieder in der Backstube. Sie strich der Bäckerin um die Beine und beobachtete sie, von der Anrichte aus, beim Kneten des Teiges. Als alle Vorbereitungen abgeschlossen schienen wandte sich die Bäckerin zu der Katze.

„Wie grausam muss deine Herrin sein, dich so lange durch das Dorf hetzen zu lassen. Wer würde einem armen Tier wie dir so etwas antun? Wenn ich dich nun gehen ließe, bin ich sicher, dass die Männer draußen nicht länger so gut wären dich nur zu fangen. Nein, heute Nacht bist du nichts weiter als ein Hindernis und wenn du jetzt gehst werden sie dich schießen wie ein Reh nur um an die Hand deiner Herrin zu kommen.“

Kopfschüttelnd trat die Bäckerin zur Katze und streichelte ihr sanft über das Köpfchen.

„Lass mich dir diese Bürde nehmen, mein Liebes. Deine Herrin hätte es besser wissen sollen.“

Ohne Widerstand von der Katze entfernte die Bäckerin das Band um ihren Hals. Sie wandte sich ab und ließ den Schlüssel durch die mehlverstaubten Finger gleiten.

„Wohin dieser Schlüssel wohl wirklich führt?“, fragte sie sich leise.

„Zu meinem Herz und meinem Heim.“, ertönte eine sanfte Stimme hinter ihr und ließ die Bäckerin herum fahren. Auf ihrer Anrichte saß nicht länger ein feuerrotes Kätzchen, sondern die wunderschöne, Grafentochter mit dem ebenfalls feuerroten Haar und dem bezaubernden Lächeln.

„Wie ist das möglich?“, fragte die Bäckerin erschrocken.

„Du hättest recht mich zu schelten hätte ich tatsächlich ein armes Kätzchen in eine solche missliche Lage gebracht. Doch meine Familie war schon immer gesegnet mit den Talenten des Feenvolks. Ich bin die Katze und die Katze bin ich.“, erklärte die junge Frau. Sogleich erinnerte die Bäckerin sich an die vielen wüsten Schimpftriaden, welche sie vor dem erschöpften Kätzchen auf ihre Herrin gehalten hatte und errötete. Sie hielt ihrer Besucherin den Schlüssel entgegen.

„Dann solltet ihr den wohl wieder an euch nehmen.“

Ein trauriger Schatten fiel über das Gesicht der schönen Grafentochter. „Du möchtest ihn nicht?“

„Ihr möchtet, dass ich ihn habe?“

„Du bist eine gute, fleißige Seele mit einem Herz für jedes Wesen. Eine Eigenschaft, die man keinem anderen in dieser Gegend so frei zusprechen kann.“, die junge Frau legte ihre Hände um die der Bäckerin und umschloss darin den Schlüssel, „Wenn ich jemandem mein Herz anvertrauen möchte, dann dir.“

Und so kam es, dass der nächste Morgen hereinbrach und der Sommer in das Dorf zog. Er brachte warme Winde, saftiges Obst an den Bäumen und wilde Blumen auf den Feldern. Und natürlich die Feierlichkeiten um Litha. Überraschte Rufe erhoben sich aus der Menge, als die Grafentochter verkündete, die schüchterne Bäckerin habe ihr Herz erobert, auf eine Art wie es niemand anderem gelungen wäre. Und so tanzten die beiden Liebenden befreit und glücklich in den neuen Sommer und noch viele kommende Jahreszeitenwechsel.

Ende