Ghost me pls

Text: StefShepardRox
Foto: Pexels Plato Terentev

Die Sonne brannte goldgelb auf das Weizenfeld. Der Bauer erhob die Sense, um es zu schlagen. Die Kirchenglocke läutete 12 Uhr. Es war Mittag und er war noch auf dem Feld…
„Boah also irgendwie hab ich grade keinen Nerv für eine Doku über Bergbauern um die Jahrhundertwende.“ Yosie saß mit ihrer besten Freundin bei einem Bier. Genaugenommen beim  Vierten. Ihr wöchentliches Treffen war diesmal zu einem Rant abgedriftet.
“Ich dachte eure Dates waren gut? Du hast so geschwärmt Yo.”
“Dachte ich auch, es war toll. Magisch gradezu und dann bämm.”
“Bämm was?”
“Geghostet. Einfach so. Von jetzt auf gleich kam kein Piep mehr. Keine Nachricht, kein Anruf, they geht auch nicht ran wenn ich anrufe.”
“Wie lange schon?”
“Drei Tage jetzt.”
“Hm. Ok das ist mehr als mal eben was falsches gegessen.”
“Ja. Ich bins leid, dieses daten. In dieser App lernt man zwar Leute kennen, aber die Qualität ist da wohl eher mau.”
“Aber es lief doch so gut. Vielleicht ist irgendwas Anderes.”
“Was? Ich weigere mich an einen Autounfall oder so auch nur zweimal zu denken.”
Armina legte ihrer Besten sachte den Arm um die Schultern und drückte sie. “Ich hol uns noch ein Bier und du schläfst hier. Keine Widerrede. Das reimt sich und Alles was sich reimt ist gut. Das wusste schon Pumuckl.”
“Hah. Ja, ist ja gut. Hab morgen eh frei.”
Zwei weitere Biere später, schlief Yosie auf der Couch ein und träumte von diesen zarten Rehbraunen Augen…

Am nächsten Vormittag ließ Yosie die Tür ihrer Wohnung ins Schloss fallen und verfluchte sich sogleich dafür. Die Kopfschmerzen, die aus dem finstersten Abyss des Höllenschlundes zu kommen schienen, mochten keinen Lärm. Wobei, vielleicht mochten sie ihn auch, denn er fungierte in jedem Falle als Booster für Schmerz und das Gepoche hinter der Schädeldecke. “Boah. Nächste Woche trink ich garantiert kein Bier,” schwor sie ihrer Katze und quetschte deren Futter aus dem Tütchen.
“Brrrrt,” war die so wortgewaltig, wie prägnante Antort des Fellknäuels. Für Maunzer war damit alles gesagt und das junge Kätzchen stürzte sich auf das lang ersehnte Futter.
Yosie legte ihre Schlüssel aufs Schuhkästchen und ging sich bequemere Sachen anziehen. In Jogginghose und Shirt ließ sie sich müde auf die Couch fallen und versank in einem Haufen aus Kuscheltieren. Sie sammelte Plüschtiere aus Filmen und Computerspielen, zog wahllos eines heran und schlief mit Darth Vader im Arm ein.
Leises kratzen weckte sie. Sie brummelte “Maunzi, lass das,” und drehte sich um. Ihr Gesicht landete im weichen, warmen Fell genannter Samtpfote. Es dämmerte ihr, dass, wenn der Kater hier friedlich schlief, er nicht gleichzeitig der Urheber des Gekratzes sein konnte. Verschlafen aber alarmiert setzte sie sich auf. Vader purzelte auf den Boden. Das Geräusch schien von der Wohnungstür zu kommen. Verwundert erhob sie sich und ging nachsehen. Sie öffnete die Tür und da war… nichts. Nichts und niemand. Das Geräusch war verschwunden. Verwundert schloss sie die Tür wieder. Vielleicht hatte sie sich getäuscht und es war von den Nachbarn gekommen und die schliffen gerade die Wand ab oder etwas in der Art. Ihr Blick fiel auf den Müllsack in der Küche und in eine Anfall von Motivation griff sie ihn um ihn weg zu bringen. Sie langte aufs Schuhregal nach dem Schlüssel und griff ins Leere. Nun, genaugenommen in ein Körbchen mit allerlei Krimskrams und Kleingeld in das sie den Schlüssel immer legte, jedoch brachte auch motiviertes Wühlen keinen Schlüssel zum Vorschein.
“Das gibts ja nicht. Wo ist der verdammte Key?” Sie sah sich um, ging in die Küche und checkte die Anrichte. Vielleicht hatte sie ihn beim Katzefüttern dort hingelegt. Aber auch hier nichts. Er musste doch irgendwo sein, schließlich war sie damit in die Wohnung gekommen. Couchtisch, Bett, Badezimmer… Nirgends war ein Schlüssel. Verzweifelt hob sie Maunzer hoch, um ihn zu kraulen. Sie drückte das warme Fellknäuel an sich und sah… Den Schlüssel. Der Kater hatte darauf geschlafen.
“Ach Maunzi…” Sie konnte sich zwar nicht erklären, wie er dort hingekommen war, aber zumindest war er wiederaufgetaucht. Sie musste ihn in ihrem Dusel mit zur Couch genommne haben…
Die alte Kuckucksuhr an der Wand schlug und der Kuckuck schnellte heraus. Yosie sprang vor Schreck auf die Couch. Die Uhr war seit sie hier eingezoen war kaputt gewesen. Sie ließ sie nur aus Nostalgie hängen, weil ihre Großeltern eine ebensolche in der Stube gehabt hatten. Sie starrte das Ding an, als hätte sie ein Gespenst gesehen. Maunzer begann in ihren Armen zu strampeln und sie setzte ihn sachte ab. Behalt jedoch die Uhr im Blick.
Der Kuckuck kuckte genau dreimal aus seinem Nestchen und verstummte dann.
“What the…”
“Miau.”
“Du sagst es.”
Mit den Nerven fertig, griff sie sich Schlüssel und Müllsack und brachte den erstmal weg. Im Anschluss setzte sie sich ins Café nebenan auf einen Cappucchino. Sie brauchte Koffeein, eindeutig. Wieder und wieder öffnete sie den chatverlauf mit Lou. Sollte sie them nochmal schreiben? Die letzten acht Nachrichten waren von ihr selbst und allesamt ungelesen. In ihrem Kopf drehten sch die Gedanken im Kreis. War them vielleicht wirklich etwas passiert? Sie wollte einfach nicht glauben, dass sie nach dem letzten Date, dass mit einem wundervollen Kuss geendet hatte, einfach blockiert worden war. “Ich mach mich jetzt sicher total zum Affen, aber sag mir bitte wenigstens noch, obs dir gut geht!“, schrieb sie und drückte auf absenden. Sie ließ sich in dem bequemen Polstersessel des Cafés zurücksinken und nippte an ihrem Cappu. Später ließ Yosie sich noch ein Punschkrapferl einpacken und ging zurück nach Hause. Dort fand sie Maunzer, hübsch eingereiht zwischen fein säuberlich aufgestellten Kuscheltieren auf der Couch sitzen. Sollte Maunzi nicht plötzlich einen Ordnungsfimmel entwickelt haben, gab es dafür nur eine Erklärung: Es spukte.
Die Süßspeise fiel zu Boden und zergatschte in der Tüte…

Yosie schlief unruhig die nächste Nacht. Gegen drei wurde sie wach. Es war eisig kalt im Zimmer. Das Mondlicht fiel durch die Fensterscheibe. Sie hatte vergessen die Vorhänge zuzuziehen. Maunzer lag neben ihr zusammengerollt und schlief. Kleine Dampfwölkchen bildeten sich vor seinem Schnäuzchen wann immer er ausatmete. Verwundert setzte sie sich auf. Es war Frühsommer. Keine Temperaturen die Dampfwölkchen rechtfertigten. Auch ihr Atem bildete fröhlich dampfigen Drachenatem. Die feinen Härchen auf ihren Unterarmen und in ihrem Nacken richteten sich auf. Sie hätte sich nicht so viele Folgen von Geisterjägerserien angucken sollen. Yosie knipste mit zittrigen Fingern das Nachttischlämpchen an. Ihr liebevoller Blick glitt über das kleine Kätzchen an ihrer Seite hinweg und blieb abrupt an einer Sitzmulde auf der Matratze neben dem Kater hängen. Wie erstarrt hielt sie den Atem an. Da saß eindeutig jemand. Nur… Dass da niemand war. Mauzers Ohr wurde zurückgebogen als ob jemand sein Köpfchen streichelte. Dann flog die Katze mitsamt Decke aus dem Bett, als Yosie schreiend aus dem Zimmer in die Küche stürmte und sich hinter der Tür der Speisekammer versteckte. “Du bist doch bescheuert!”,
schalt sie sich selbst. “Das ist nicht Ghostphobia das Spiel, du Nuss. Der Geist wird dich nicht töten wenn er dich findet.”
Dennoch kauerte sie eine Weile mucks Mäuschen still in der Kammer. Ein Kratzen an der Tür ließ sie zusammenzucken.
Chrk Chrk Chrk….

“Miau!”
“Ach Maunzer!” Zaghaft öffnete Yosie die Tür. Maunzer setzte sich in den Türspalt und begann sich zu putzen.
“Rein oder raus, suchs dir aus Katze!”
Doch das Kätzchen putzte sich in seelen Ruhe weiter. Nichts weiter war zu hören oder zu sehen. Sie prüfte ihren Atem. Keine Wölkchen. Vorsichtig schob sie sich an dem Kater vorbei aus der Kammer und sah sich um. Es war ziemlich dunkel. Nur diverse LED Lichter an Elektrogeräten sorgten für die Ahnung von Licht. Sie tastete nach dem kleinen Knopf an der Küchenzeile, der die kleine Kochplattenlampe bediente. Es wurde hell. Sie brauchte einen Tee. Einen starken Tee. Sie setzte den Wasserkocher auf und kredenzte sich einen Earl Grey. Die dampfende Tasse in Händen fiel ihr Blick auf den frisch geputzten Toaster. Just in diesem Moment hauchte etwas auf das spiegelnde Metall. Es beschlug. Yosie wich ängstlich zurück, stieß mit dem Hintern gegen die Anrichte. Geisterfinger malten ein Herz auf das Gerät. Sie verharrte wie versteinert. Ihre Gedanken rasten. Ein Geist. Ein verliebter Geist? Vielleicht war es ihre Großmutter?
“Oma?”, fragte sie.
Keine Reaktion. Sie hörte Maunzer laut schnurren. Ihr Blick sank zu Boden, suchte den Kater. Dieser schmiegte sich an jemandes Beine. An Beine, die nicht da waren. Aber die Bewegung war eindeutig. Ihre Teetasse fiel zu Boden.
Yosie kreischte. Die Katze fauchte. Etwas trat in die nasse Lacke. Feuchte Fussspuren entfernten sich aus der Küche und huschten richtung Eingangstür.
“Dimensionsriss? Unsichtbarer Mann? Was zum Geier soll der Scheiß!?”, rief sie wem auch immer hinterher. Sie wusste selbst nicht, woher sie den Mut nahm, doch folgte sie den Fußspuren zur Tür. Der letzte endete unter der Tür.
“Der kann doch wohl nicht durch Türen gehen.” Sie riss die Tür auf und rief:  “Verzieh dich Geist!”
Sehr zur Verwunderung eines Nachtschwärmers, der gerade an ihrem Haus vorüber torkelte.
Sie kehrte stink Wütend in ihr Schlafzimmer zurück. Auf ihrem Handy erschien die Message, dass sie von Lou eine Nachricht hätte. Lou… Sie wischte auf dem Display nach Rechts um die Nachricht anzuzeigen. Da war keine. Hatte sie sich das nur eingebildet? Frustriert stopfte sie das Handy zurück unter ihr Kopfkissen und warf sich aufs Bett. Erneut brummte das Handy unter ihrem Kopf. Wieder eine Nachricht von Lou, wo keine war. Das Spiel spielten sie auch noch ein drittes Mal, bis Maunzer sich demonstrativ auf ihrem Kissen zusammenrollte. Damit war ruhe.

Ziemlich durch den Wind hing sie am nächsten Tag in der Mensa rum. Sie hatte eine Vorlesung für ihren Professor halten müssen. Assistentin sein war ein mieser, kaum bezahlter Job. Noch undankbarer, wenn man kaum geschlafen hatte. Sie orderte gleich zwei Cappuchini und setzte sich damit in eine ruhige Ecke. Ihr Handy läutete tonlos. Lou. Sie wollte es schon genervt zur Seite legen, da sah sie, dass der Anruf echt zu sein schien, nicht boß eine Nachrichtenmeldung. Sie nahm ab.
“Hallo?”
“Hey, Lou hier. Tut mir mega leid, dass ich mich tagelang nicht gemeldet habe. Ich hab erst jetzt mein Handy wieder. Habs in der Cocktailbar neulich liegen gelassen und die hatten jetzt fünf Tage Betriebsurlaub. Hoffe du bist mir nicht böse.”
“Achsooo. Ich dachte schon, du wolltest mich nicht mehr sehen.”
“Doch natürlich, unbedingt sogar. Hast du Lust morgen brunchen zu gehen?”
“Ja, gerne. Ins Vox Libris um elf?”
“Perfekt. Ich seh dich dann morgen. Sorry nochmal!”
“Ciao!”

Am nächsten Tag war they schon im Café, als Yosie eintraf und wirkte ehrlich erleichtert. “Du bist gekommen.”
“Ja, na klar.” Josie schenkte them ihr bestes Lächeln.
“Ich hatte ein bisschen Angst, du würdest mich versetzen.”
“Ach was.”
“Naja, wenn mich mein Date Tagelang ignoriert, wär ich echt pissig.”
“Ja. War ich auch und besorgt und traurig. Dachte du hättest mich geghostet.”
“Hah. Du wirst lachen. Das hab ich auch.”
“Wiebitte?”
“Nicht so. Ich hab vorletzte Nacht geträumt, ich würde bei dir spuken. Hab sogar ein Herzchen auf deinen Toaster gemalt, aber du hast gedacht ich wär deine Oma und hast dann deine Teetasse nach mir geworfen.” Lou sah, wie Yosies Kinnlade im Zeitlupentempo nach unten klappte…