Schbara muasch! -oder – Urlaub zu Hause

von _linda_bier_

Tief unten im Süden Deutschlands, liegt eine Region, die sich selbst das „Ländle“ nennt. Hier lebt der Schwabe. Der Schwabe ist tief mit seiner Heimat verwurzelt, er ist ein sehr gewissenhafter und sparsamer Mensch. Im Ländle hat alles seine Ordnung und seine Zeit. So ist die Kehrwoche geregelt, wie die Mittagspause, die Handwerkerferien oder das abendliche Veschber. Das Ziel eines jeden Schwaben ist es, das eigene „Häusle baua“, dafür geht man „schaffa“ und gleich danach kommt auch schon der Wunsch nach der Familienplanung. Die Liebe und Fürsorge gehen bisweilen so weit, dass die Kinder erst dann ausziehen, wenn sie selbst eine Familie gründen und das „Heisle“ bauen. Oft leben hier noch mehrere Generationen auf einem Hof und die ganze Familie inklusive der Schwiegerfamilie im selben „Flegga“. Das Ländle hat viele kluge und erfolgreiche Köpfe hervorgebracht, wäre da nicht die sprachliche Barriere – die es vielen nicht Schwaben, schier unmöglich macht, auch nur ein einziges Wort zu verstehen oder von ihnen zu lernen.

Te Jochen arbeitet als Gruppenleiter bei einem namenhaften Unternehmen in Stuttgart. Vor allem unter den jüngeren Kollegen ist er ein Vorbild und viele sehen zu ihm auf. In der Mittagspause sitzt er mit den Kollegen zusammen und jeder erzählt von seinen Urlaubsplänen. Jeder von ihnen sieht sich schon bald an einem exotischen Strand liegen, in einem exklusiven Hotel in den Metropolen der Welt oder bereist auf einem Kreuzfahrtschiff die Weltmeere. Auch Gabriele lag ihm mit ihren Vorstellungen vom Sommerurlaub seit Wochen in den Ohren und hat kurzerhand einen Urlaub, von seinem Bruder Klaus, zusammenstellen lassen, dem ein Reisebüro gehört: 10 Tage Traumreise auf die Malediven, im 5 Sterne Luxushotel mit all-u-can-eat Buffet und Animationsprogramm, zum günstigen Familienpreis vom 999 € pro Person inkl. Flug und Versicherungen.
Doch Jochen, wäre kein Schwob, wenn er es selbst nicht no billiger griga dät. So buchte er den Flug zum Schnäppchenpreis, fand beim Onlinepreisvergleich einen Anbieter für ein gleichwertiges Hotel, noch näher am Strand und für die Unterhaltung, würden sie vor Ort schon fündig werden. Gabriele war skeptisch, doch nachdem sie hörte, dass ihr Mann so 400 € sparen konnte, hod sie sich saumäßig gfrait. Die Zeit bis zum Urlaub vertrieben sie sich mit Bikini-Shopping und virtuellem Sightseeing. Nur Sohn Paul, war wenig begeistert. Seinen Urlaub verbrachte er lieber mit dem neuen Onlinerollenspiel „Rise of the Oceanmaster“ – doch auch daran hatten Vater Jochen gedacht und gleich noch eine extra Datenflat gebucht. Urlaub war für die Gaisingers schließlich die schönste Zeit des Jahres.

„Jo was isch denn dees jetzd scho wiedr! Corona, Corona! Schbinnad di jetzd älle? Karina, du kennsch di doch aus – müssa m’r ons Sorga macha? “

„Awa quatsch, die übertreibad, wäsch dir hald efders d‘ Händ ond nimm dia Hand vo d’r Gosch beim Gähna. Des reichd erschdmol…“

Leider reichte das nicht. Wenige Tage später sprach man von einer Pandemie und den ersten Reisebeschränkungen. Jochen und Gabriele mussten ins Homeoffice und als sich Paul mit dem Virus infizierte, saß die ganze Familie in Quarantäne. 14 Tage ohne tägliches Tschogga, ohne Vereinssitzung, Familie oder Kollegen. Nicht einmal mit den Nachbarn schwätza war erlaubt. Die Stimmung drohte zu kippen, die Stromkosten stiegen in die Höhe und die Zeit bis zum Urlaub schien rückwärtszulaufen. Was für ein Albtraum! Doch auch das überstanden die Gaisingers, als Genesene mit allen Freiheiten, freuten sie sich nun umso mehr auf die Abreise. Am Abend bevor der Flieger in die Sonne abheben sollte, platzte der Traum von den Malediven. Die Fluggesellschaften stellten alle Flüge ein, der Hashtag #wirbleibenzuhause ging um die Welt.

Für Familie Gaisinger hieß es nun Urlaub dahoim (weil Dohoim ischs am Scheeschda). Tochter Katrina lud ihre Freundinnen kurzerhand zu einer Poolparty im neuen Bikini ein, Sohn Paul verschwand in seinem Zimmer und die Nachbarn, deren Reise auch geplatzt war, verwandelten ihren Garten in eine Großbaustelle. Jochen, der nun auf den Reisekosten sitzen blieb, hörte nur noch das Goscha von Gabriele: „Das d‘ au ällaweil so geizig sei muasch – dein Bruder Klaus hed ons dees omasuschd schdornierd. So an deirer Urlaub – ond dees no dahoim!“

Schbara muasch!