Schön und Jung
Diese Kurzgeschichte ist innerhalb meiner Morgenseiten entstanden. Just for Fun, habe ich dann etwas Weltenbau betrieben und noch eine Zeitung dazu gemacht. Die Bilder in der Zeitung sind Stock Fotos von Pexels und dürfen kostenlos genutzt werden.
Die Kurzgeschichte zur Zeitung, findet ihr nach der Zeitung.
Schön und Jung
Er schaute in den Spiegel. Das, was er sah, war, was er sehen wollte und nicht das, was sich tatsächlich im Spiegel spiegeln sollte. Der Spiegel verzerrte und zeigte, was man begehrte. Allerdings keine materiellen Güter, sondern wie man sich sehen wollte, wie man aussehen wollte, wie man auftreten wollte. Er schaute in den Spiegel, weil er hoffte, dass sein aktuelles Bild von sich, seinem tatsächlichen Bild entsprach. Aber er war anscheinend immer noch nicht mit sich zufrieden. Seine Nase war für sein Gefühl zu lang, seine Ohren zu groß, sein grinsen zu frech, seine Augen zu müde, seine Stirn zu faltig. Wenn er wollte, könnte er diese Liste unendlich weiterführen und das waren nur Äußerlichkeiten. Der Spiegel zeigte ja auch, wie man auftreten wollte. Sein Gegenüber, das nicht er war, stand kerzengerade, hatte einen Anzug an, sein Blick wirkte stark und unnachgiebig. Gerade die Härte in seinen Augen fand er erstrebenswert. So einen Menschen würde niemand herumschubsen. Aber so wie in dem Spiegelbild, sah er nicht aus. Soweit er weiß, sahen die meisten Menschen nicht so aus, wie dieser Spiegel es ihnen zeigte. Aber im Grunde war ihm das egal, er war aus anderen Gründen hier.
Eine Frau trat hinter ihrem Tresen hervor und lächelte ihn an. Er war selbstbewusst und unansehnlich war er auch nicht, wie gesagt er hoffte ja, dass beide Bilder übereinstimmten.
„Sehen sie nicht das, was sie sich erhofft haben?“, fragte die junge Dame charmant. Als er nicht sofort antwortete, fügte sie hinzu: „Wir von ‚Schön und Jung, können innerhalb von 10 Minuten dafür sorgen, dass sich ihr Selbstbild in ihr tatsächliches Bild verwandelt.“
„Das kostet bestimmt furchtbar viel Geld!“, antwortete er forsch.
„Nicht so viel, wie die Meisten denken. Kommen sie, ich zeige ihnen unsere Angebote, dann können sie sich selber überzeugen.“
Die junge Frau, fasste an seine Schulter. Ihr Griff war unangenehm, sie wirkte bestimmt, sie wollte verkaufen. Er folgte ihr, schließlich war er aus einem ganz bestimmten Grund hier und musste wie ein Kunde wirken. Sie gingen zum Tresen und sie holte ein Holotab aus einer Schublade und zeigte ihm darauf Tabellen und Grafiken und die Preise. Er schaute sich die Angebote nur oberflächlich an und nickte, als würde es ihn wirklich interessierten. Sie schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln. Sie machte ihm ein Angebot fertig, ohne dass er noch viel sagen musste, und führte ihn in eine der ‚Umgestaltungskabinen‘, wie sie es nannte. Der Prozess wäre komplett schmerzlos. Er legte sich wie gefordert auf die Liege und sie verließ die Kabine. Über ihm begann eine Lampe, diffuses Licht auszustrahlen. Sein Einsatz war gekommen. Er drückte auf einen Stift, den er in seiner Weste versteckt hatte, und die Maschine erstarb. Für einen Außenstehenden würde es aussehen, als ob alle Systeme ordentlich laufen. Er machte sich daran, eine der Platten, welche die Rückwand bildeten, abzuschrauben. „Selbstbild zum Übereinstimmen bringen, pah! Das ich nicht lache.“, murmelte er leise in sich hinein. Sie betreiben hier Gehirnmanipulation auf ganz großem Niveau. Im mildesten Fall manipulierten sie das Hirn so, dass der Kunde glaubte, er hätte bekommen, was er wollte, dachte er. Laut seinen Auftraggebern bildeten sie aber auch für eine Organisation, mit ihren Methoden Schläfer aus und er war hier, das zu untersuchen. Die Platte an der Rückwand war schnell abgeschraubt. Das Deckenlicht strahlte in diesem Modus nur noch harmloses Licht ab, das ihm nichts antun konnte. Er vermutete sowieso, dass dieser Raum nur die erste Kammer war, die man durchlief. Er suchte in den Kabeln und Schaltern, die sich ihm offenbarten, einen Punkt, wo er mit seinem Stift ansetzen konnte und fand ihn sehr bald. Ein kleiner grüner Knotenpunkt. Er setzte die Spitze seines Stiftes auf den Knotenpunkt und drückte erneut auf den kleinen versteckten Schalter. Er hasste das Gefühl des Verbindungsaufbaus. Wenn ihr zwei Bananen in einen Mixer steckt, Milch hinzufügt und das Ganze anschaltet, wisst ihr ungefähr, wie sich der Prozess der Verbindung anfühlt. Nur, dass die Masse dann anschließend eingesaugt wird. Ungefähr so prallten jetzt die Eindrücke auf ihn ein und wirbelten um ihn herum. Baupläne, Schaltkreise, Programmierungen, von denen er nichts verstand, wirbelten um ihn herum und er speicherte alles in seinem Hirndevice ab. Die KI, die hinter seinem Gerät saß, wertete die Informationen aus und spuckte ihm weitere Angriffspunkte aus. In der Realität hüpfte nun sein Stift von einem Punkt auf den nächsten. Er spürte, wie er sich durch den Raum bewegte, weitere Platten ab und wieder anschraubte und seine Arbeit verrichtete. Er war hier im Endeffekt nur noch, um die Arbeit zu überwachen und die Informationen, die seine KI filterte, bei Problemen zu überprüfen. Dann fiel ihm ein Bild auf, das aus einem Knotenpunkt geladen wurde. Es zeigte die Kameraaufnahme aus einem Labor. Ihm wurde ganz schlecht, als er erkannte, was er auf diesem Bild sah. Sie züchteten Hirnzellen, die auf kleinen Platinen montiert waren. Das hieß, sie programmierten nicht nur Schläfer, sie pflanzten die Gedanken, ihren Willen, sogar direkt in das Hirn ihrer Opfer. Immer mehr Daten, Beweise und Informationen, die er nicht deuten konnte, prasselten auf ihn ein. Das war alles sehr abstrakt für ihn, aber das Bild, das war klar und deutlich. Normal durchlief man in diesen Dingern „normale“ Schönheitsoperationen und hier und da mal eine Therapiesitzung, das aber auch nur bei den staatlich überwachten Optimierungsstellen. Aber Manipulation in diesem Maßstab?
Er setzte die letzte Platte wieder an die Wand zurück, als er Schritte im Flur vernahm. Die Zeit war wohl um. Er legte sich schnell zurück auf die Liege und hoffte, dass man nichts sah. Die junge Frau vom Tresen öffnete die Tür und er tat so, als ob er eben erst zu sich kommen würde.
Sie lächelte und sagte: „Oh sie haben sich ja gar nicht verändert. Ich beneide Sie, dass das Selbstbild so sehr mit dem tatsächlichen Bild übereinstimmt, kommt nicht häufig vor.“
Er nickte ihr nur knapp zu und antwortete: „Dann hätte ich mir das Geld vermutlich sparen können.“ Anschließend verließ er das Gebäude und ging zu seinem Wagen. Er musste seine Ergebnisse schnell seinem Arbeitgeber mitteilen.