old wooden door in rock, in dark forest

Teuflisch

Text von: chaotisch_aber_liebenswert
Bild von: AdobeStock_94168422
CN: Insekten, Spinnen, Kakerlake, Gewalt gegen Tiere,

(oder auch: Wie Luz und Hannelore sich kennenlernten)
(Eine kleine Geschichte zu „Die kleine Hexe Nadia“)

Es war später Nachmittag im Hexenhäuschen der kleinen Hexe Nadia. Sie saß mit ihren Freunden den Jungteufeln Luz und Runa, dem kleinen Eumel aus ihrem Garten, am windschiefen Küchentisch bei einem großen Becher heißer Schokolade und ließen gemeinsam ihren aufregenden Tag Revue passieren.
Mit dabei waren natürlich auch Nadias treue Begleiter Chamäleon Charls und Axolotl Axel aber auch Luz Seelentier Kakerlake Hannelore.

Hexen haben nämlich Begleiter, meistens Raben oder Katzen, bei Teufeln sind es Seelentiere wie giftige Skorpione oder Schlangen aber auch Zecken oder Spinnen.
Wie ihr merkt, sind die beiden da eher besonders, schlagen aus der Art, Tanzen aus der Reihe und lassen sich einfach nicht die in die Schubladen „typisch Hexe“ und „typisch Teufel“ verfrachten. Die Alten würden sie eher als aufmüpfig, unerhört oder anmaßend bezeichnen, denn sie sind liebenswert, freundlich, hilfsbereit und daher ganz anders als die Hexen auf Burg Hexenstein oder die Teufel in der Teufelsgrotte oder der Hölle.

„Den alten Hexen haben wir es heute aber so richtig gezeigt“, lachte Luz und ließ mit seinem Löffel die Marshmallows in seiner heißen Schokolade eintauchen und wieder nach oben hüpfen.
„Tja, bei ihren Plänen haben sie definitiv nicht mit uns gerechnet“, grinste die kleine Hexe und ließ die dampfenden Schwaden, die von ihrem Becher heißer Schokolade aufstiegen, zu kleinen Schmetterlingen werden.

Luz rührte verträumt in seiner Tasse, während sich Hannelore neben Charles, dem Chamäleon der kleinen Hexe, niedergelassen hatte und schlief. Die kleine Kakerlake hatte sich diese Erholungspause allerdings auch redlich verdient.
„Du Luz?“, fragte die kleine Hexe den kleinen Teufel.
„Ja?“ Luz schreckte aus seinen Gedanken hoch und ließ den Löffel fallen, welcher klirrte, als er von der Tischplatte abprallte und schließlich mit einem leichten Klong auf dem Boden landete. Gleichzeitig zog er seine feuerroten Augenbrauen in die Höhe und er schaute die kleine Hexe erwartungsvoll an.
„Wie habt ihr euch, also Hannelore und du, kennen gelernt?“
„Das hab ich dir echt noch nie erzählt?“ Verwundert runzelte Luz seine Stirn, und schaute sehr liebevoll zu seiner Hannelore hinüber, die immer noch tief und fest neben Charls schlief.
„Nein“, sagte die kleine Hexe. Sie war auch mächtig stolz auf die kleine Kakerlake. Hannelore ist heute wirklich über sich hinaus gewachsen und hatte etwas Großartiges vollbracht.
„Na dann wird es aber höchste Zeit!“ Grinsend und mit einem funkeln in den Augen sah Luz nun zur kleinen Hexe hinüber, trank noch einen Schluck von seiner teuflisch leckeren heißen Schokolade, und begann zu erzählen:

„Wie du weißt, ist meine Familie nicht so einfach“, begann Luz zu erzählen. „Erinnerst du dich noch an das Teufelshandbuch und an die drei wichtigsten teuflischen Regeln?“ Die kleine Hexe überlegte. Nach einem Moment der Stille half ihr der kleine Teufel auf die Sprünge:

  1. Ein Teufel hat immer teuflisch zu stinken.
  2. Ein Teufel hat immer neue teuflische, abscheuliche Dinge zu denken.
  3. Ein Teufel hat immer teuflisch zu sein.

In den Augen der kleinen Hexe sah man förmlich ein Licht aufgehen. Sie nickte verständig. „Und diese Regeln wurden dir jetzt zum Verhängnis!“

Luz nickte. Er schluckte schwer und erzählte weiter:
„Ich muss im dritten Semester auf der Schule für junge Teufel gewesen sein. Auf jeden Fall hatten wir Insektenkunde. Wir sollten Wolfsspinnen einfach die kleinen Beinchen ausreißen!“ Er schluckte schwer und sprach mit erstickter Stimme leise weiter: „Den Kleckerfliegen die Flügel ausreißen!“ Tränen standen in seinen teuflisch roten Augen.
Die kleine Hexe hielt die Luft an.
„Kakerlaken zerquetschen!“
Entsetzt stieß die kleine Hexe Nadia die Luft aus und Runa wurde ganz blass.
Luz liefen dicke rote Tränen über seine Wangen. Er brauchte einen kleinen Moment, bis er sich wieder gefangen hatte, bis er weiter erzählen konnte. „Das habe ich natürlich nicht getan! Eigentlich konnte ich mich auch immer super durchmogeln. Denn im Schummeln war ich immer Weltklasse. Meine große teuflische Stärke, wenn man das als teuflische Stärke bezeichnen konnte. In diesem Fall allerdings, ist es aufgeflogen. Und als Strafe, weil es quasi das Tüpfelchen auf dem „i“ war, wurde ich für 66 teuflisch lange Jahre ins Verlies oder eher gesagt, in den Keller der Schule gesperrt. Ich musste 666 Mal das Teufelshandbuch abschreiben, welches 666 Seiten umfasst und dazu natürlich in Schriftgröße sechs verfasst wurden.“
Die kleine Hexe Nadia und der Eumel Runa schnaubten verächtlich.
Luz nickte und fuhr fort: „Der Keller bestand auch nur aus einem sandigen Boden und einer Fackel. Ich musste die Worte mit einem Gebein eines Fingers in den Sand schreiben und bei jeder richtigen Seite leuchtete ein grüner Haken auf und es erklang ein ‚Ping‘ und die Buchstaben verschwanden, damit ich weiter schreiben konnte. Allerdings war die Zeit ganz schön knapp bemessen, denn die Fackel brannte immer nur sechs Stunden am Tag. Aber wie ihr seht, sonst säße ich ja nicht hier, habe ich es geschafft. Es war aber leider nicht die einzige Aufgabe…“ Luz schluckte erneut. „Ich sollte die Kakerlake aus dem Unterricht zerquetschen!“
Ein Donner grollte laut über dem kleinen Hexenhäuschen auf und es begann in Strömen zu regnen. Schnell schloss die kleine Hexe die Finger und zauberte ein gemütliches Feuer in den Kamin.
„Die ersten Jahre, habe ich das immer verdrängt, aber Monat für Monat kocht dieses Gefühl der Machtlosigkeit mehr meinen Magen hinauf und ich wusste einfach nicht, wie ich dieses Problem lösen sollte. Ich töte keine Wesen, niemals!“
Ein Blitz erhellte den schwarzen Himmel und erneut grillte ein Donnern über das Hexenhäuschen.
„Doch auf einmal war da ein kleines Ding, das langsam auf meinem Arm hinauf kroch. Was war das? Ich spürte die kleinen trippeligen Schritte des Wesens, aber ich konnte es nicht sehen. Die sechs Stunden der Fackel würden erst in wenigen Augenblicken beginnen. Ich hab ein fantastisches Zeitgefühl. Das Trippeln war überhaupt nicht unangenehm, aber es kitzelt so doll, dass ich mich echt zusammenreißen musste nicht lautlos zu lachen. Ich möchte gar nicht wissen, was dann los gewesen wäre!“
Hannelore hob in diesem Moment ihren Kopf, krabbelte lautlos zu Luz herüber und kuschelt sich in seine Hand. Vorsichtig und voller Liebe Strich Luz über ihren Panzer und bevor er weiter erzählte, ließen sich Luz mit Hannelore, Nadia und Runa auf den großen Kissen vor dem wärmenden Kamin nieder und kuschelten sich in ein paar flauschige Decken. Die Tassen ließ Nadia auf das kleine Beistelltischchen schweben. „Die Fackel erleuchtete den Keller“, fuhr Luz fort: „Und ich konnte das Wesen erkennen. Es war die Kakerlake aus dem Unterricht, die ich zerquetschen sollte und weil sie keinen Namen hatte und überall im Keller Gebeine von einer Hannelore verstreut lagen, ich wurde im Kellerraum mit dem Buchstaben „H“ eingesperrt, taufte ich die kleine Kakerlake Hannelore. Immerhin hatten wir nun uns beide, um uns die Zeit zu vertreiben.“
„Was habt ihr die ganze Zeit gemacht?“, fragte die kleine Hexe neugierig.
Luz begann die Spiele aufzuzählen, mit denen sie sich die Zeit vertrieben hatten: Wettkreiseln, Buchstaben vervollständigen, Galgen raten, Teufelskästchen, StadLand-Hölle, Pictionary, Scheiterhaufen… auf jeden Fall sind wir richtig dicke Freunde geworden.“ Luz grinste verschmitzt, weil er sich noch an ein paar Dinge erinnerte, die Hannelore und er gemeinsam erlebt hatten.
„Luz?“, fragte die kleine Hexe: „Wie habt ihr denn das Problem gelöst, dass du Hannelore eigentlich nun ja.“
„Zerquetschen sollte?“ Vervollständigte Luz den Satz.
„Genau“, sprach die kleine Hexe zögernd.
„Also, ich muss dieses dämliche Teufelshandbuch abschreiben. Beim letzten Mal hat mich Hannelore darauf aufmerksam gemacht, wie man einen Seelengefährten auf ewig an sich bindet. Das ist bei uns Teufeln ein ganz großes Ding! Am wichtigsten war allerdings der Satz, dass einem Seelengefährten niemals und von niemandem Leid zugefügt werden durfte und weil das perfekte Lösung unseres Problemes war. Lange Rede kurzer Sinn, et voilà, hatte ich eine grandiose Seelengefährtin. Oh man, waren die Lehrer und hochrangigen Teufel alle sauer gewesen, aber nun ja, immerhin war diese Idee teuflisch, nämlich teuflisch gut!“

Ende