Caribean Vibrations
Text von StefShepardRox
Cn: Femizid, Mord
Carina beobachtete wie das Wasser in die Wanne einlief. Der Duft des Badewassers stieg ihr in die Nase. Es roch nach Karibik.
Eigentlich recht nett von Gottfried, ihr den teuren Badezusatz zu schenken. Wohl eine Wiedergutmachung für die letzte Auseinandersetzung der Beiden. Erst verpasste er ihr ein Veilchen und dann gab es Meersalz Badezusatz mit Cocosöl von “Caribean Vibes”, mit den Worten: “Salz ist gut für die Haut, musst du probieren!” als Entschädigung.
Carina ließ ihre Hände durch das Badewasser gleiten und setzte mir etwas Schaum auf den Kopf. Das mochte ich. Ich bekam nur selten Gesellschaft von ihr. Meist ließen ihr die Hausarbeit und der Job nur Zeit zum Duschen. Dann konnte ich nur am Wannenrand sitzen und zusehen. Wenigstens drehte sie mich immer in die richtige Richtung. Gottfried ignorierte mich hingegen immer völlig. Dabei brauchen wir Piraten viel Aufmerksamkeit und Wasser. Badeschaum war auch von entschiedener Wichtigkeit. Sanft wog ich mich hin und her, im Gleichklang mit dem Seegang, den Carinas Bewegungen verursachten. Der Blick aus meinem einen Auge ruhte auf ihr. Mit ihrem einen schwarzen Veilchenauge, sahen wir uns sogar relativ ähnlich. Veilchen und Augenklappe. Zwei Piraten auf hoher See.
Carina legte ihr Handy auf den Wannenrand, dass sie zum Aufladen angesteckt hatte, zog das Kabel heraus, wischte herum und sphärische Musik erklang. Dann lehnte sie sich zurück und ließ sich ins heiß Wasser sinken. Ihr wohliges Seufzeln war Musik in meinen Ohren. Entspann dich Mädchen, dachte ich bei mir. Das hast du nötig.
Sie legte sich den Waschlappen über die Augen und träumte sich fort. In die Karibik vermutete ich, wo wir Piraten hingehören. Tortuga, wo wir Typen wie Gottfried mit Säbel und Steinschlosspistole begrüßen, sobald sie an Land gehen, Yarrr!
Ich zog mich in eine Schaumgrotte zurück und dümpelte ruhig vor mich hin. Immer ein Auge auf meine Kapitänin.
Draußen erklangen Schritte auf dem Flur. Die Tür ging auf und Gottfried kam herein. “Ich treff mich gleich noch mit den Jungs zum Fußball schauen. Inter spielt gegen Bayern.”
“Ja…mach du nur,” kam es dumpf und emotionslos unter dem Waschlappen hervor.
Ich beobachtete, wie er Carinas Handy in die Hand nahm und kurz darauf herum wischte. Dabei murmelte er: “Oje, bin spät dran,” ehe er es besonders sanft wieder auf dem Wannenrand ablegte.
Was die Leute immer mit diesen Dingern wollten, war mir ein Rätsel. Gottfried prabbelte noch etwas von Snacks die er aus dem Vorratsschrank mitnehmen wollte und dass sie nicht auf ihn warten sollte und ging. Beim Rummsen der Badezimmertür trieb ich wieder ein Stück aus meiner Schaumgrotte und sah ihm hinterher. Carina schien es egal zu sein.
Nein. Sie atmete erleichtert aus. Offenbar froh darüber, den Abend ruhe zu haben. Ein Abenteuer auf See nur sie und mich. So sollte es immer sein. Ich fände es toll, wenn sie hier bleiben könnte. Mit mir für immer die schäumige See um Tortuge genießen.
Sie tastete mit ihrer Linken nach dem Rotweinglas, führte es an die Lippen und stellte es wieder ab. Normal bevorzugte Unsereins ja Rum, aber ich wollte es mal durchgehen lassen.
Das Wasser kühlte langsam aus. Ich konnte hören, wie sich Carinas Herzschlag nach und nach beruhigte, je länger ihr Göttergatte fort war. Mit zunehmendem Weinkonsum, färbten sich ihre Wangen zart rosa. Offenbar hatte die Farbe des Getränks Einfluss auf den menschlichen Körper, mutmaßte ich.
Kapitänin C ließ mehr heißes Wasser in die Wanne. Der aufkommende, starke Seegang gefiel mir und ich schaukelte freudig hin und her. Wellenreiter der ich war.
Die Temperatur wieder auf angenehme Gluthitze gebracht, schenkte sie sich Wein nach, nahm einen Schluck und ließ sich anschließend wieder bis zum Kinn ins Wasser gleiten. Das heiße Wasser half wohl gegen die soziale Kälte in ihrer Ehe. Wasser heilte.
Ja, Sie und ich waren eindeutig aus denselben Planken geschnitzt, oder wie die Menschen das nannten.
Da vibrierte das Handy…
Carina ignorierte es. War bestimmt Gottfried, der die Schlüssel vergessen hatte und deshalb …mal wieder… Bei seinem Kumpel übernachten würde… Der Gedanke, warum das Handy vibrierte, obwohl es eigentlich auf laut war, kam zu spät. Das Telefon vibrierte sich über die Kante. Es platschte. Carina begann wie wild zu zucken. Wie von sinnen tanzte sie unter Blitzgewitter durch die karibische See. Die Sicherung fiel, das Zucken stoppte und wir saßen im Zwielicht eines Teelichtes, dass Carina zur Entspannung auf dem Waschbecken abgestellt hatte. Dann sah ich es… Gottfried hatte das Ladekabel wieder eingesteckt. Es war mir entgangen, hatte ich doch mein Auge auf Carina gehabt. Carina!
Ich ließ mich zu ihr schwappen. Stupste sie mit dem Schnabel an, doch sie regte sich nicht.
Ganz ruhig lagen sie da. Die nunmehr glatte See und meine Kapitänin. Ich seufzte tonlos, wünschte, ich könnte ihr folgen, raus aufs ewige Meer im Jenseits. Eines Tages würde ich sie dort treffen.
Am nächsten Tag kam Gottfried nach Hause. Fand sie. Grinste hämisch. “Jetzt ist Ruhe. Mich verlässt man nicht. Merk dir das.”
Hasserfüllten Blickes beobachtete ich, wie er die Rettung rief, die Stimme gespielt aufgelöst. Kurz darauf waren Uniformierte im ganzen Haus. Ein Trubel. Ich wollten ihnen zurufen, dass er das mit Absicht gemacht hatte. Dass er ein eiskalter Frauenmörder war. Aber wie sollte ich?
Am nächsten Tag hörte ich entfernt aus dem Wohnzimmer das Radio:
“Schrecklicher Unfall in Brimsbühel. Betrunkener Frau viel Handy, das am Strom steckte, ins Badewasser. Trauernder Gatte fand sie am nächsten Morgen tot auf. Unfälle mit Handyladekabeln häufen sich… Einsatzkräfte merkten an, dass durch das Badesalz die elektrische Leitfähigkeit des Wassers noch zusätzlich verstärkt wurde.”
Dieser Mistkerl, dachte ich.
Der Mistkerl spielte die folgenden Tage den trauernden Witwer, bei Verwandtschaft und Freunden die vorbeikamen. Niemand schien etwas zu ahnen. Das halb verheilte Veilchen wurde mit einer Begegnung von Carinas Auge mit einem Küchenkästchen erklärt.
Kein Wort von Femizid. Femizid. Darüber sollten die Nachrichten reden. All die Frauen die der Wut von Männern zum Opfer fielen.
Gottfried wies den Bestatter an, mich in ihren Sarg zu legen. “Sie mochte die verdammte Piraten-quietscheente sehr. Gebt sie ihr mit ins Grab.”
So ging ich doch mit ihr, um auf alle Zeit vereint die Fluten des Jenseitigen Meeres unsicher zu machen. Frei von Gottfried. Nur türkises Meer, Möwen, Rum und der unendliche Horizont.