Rezension »Die Wut, die bleibt« von Mareike Fallwickl
Kurzmeinung:
Das Buch wurde mir von meiner Lektorin Kommafalter empfohlen und ich wurde nicht enttäuscht. Ich liebe das Buch sehr, trotz oder vielleicht genau wegen seiner Härte! 5 von 5 Sterne, unbedingt lesen!
Inhalt:
Eckdaten
Klappentext
Protagonist*innen
Meine Gedanken
Umgang mit der Wut
Fazit
Eckdaten:
Titel: Die Wut, die bleibt
Autorin: Mareike Fallwickl
Erscheinungsdatum: 17.10.2023
ISBN: 978-3-499-00912-9
Seiten: 384
Themen: Trauer, Wut, Feminismus, Gesellschaftskritik
Formate: Taschenbuch, Gebundene Ausgabe, E-Book, Hörbuch
Verlag: Rowohlt
Link zum Buch: https://www.rowohlt.de/buch/mareike-fallwickl-die-wut-die-bleibt-9783499009129 – hier findet ihr auch eine Leseprobe
Content Notes: Suizid, sexualisierte Gewalt, psychische Überlastung, körperliche Gewalt, Essstörungen, Selbstverletzung, Alkohol, Wut, patriarchale Gewalt.
Klappentext:

Mareike Fallwickl skizziert in diesem feministischen Roman auf drastische Weise, was geschieht, wenn eine erschöpfte Mutter aufgibt, beschreibt die Lücken, die sie hinterlässt und die weibliche Wut, die bleibt. Sie seziert Tabuthemen, veraltete Rollenbilder und legt den Finger in die klaffenden Wunden unserer Gesellschaft.
Helene, Mutter von drei Kindern, steht beim Abendessen auf, geht zum Balkon und stürzt sich ohne ein Wort in den Tod. Die Familie ist im Schockzustand. Plötzlich fehlt ihnen alles, was sie bisher zusammengehalten hat: Liebe, Fürsorge, Sicherheit.
Helenes beste Freundin Sarah, die Helene ihrer Familie wegen zugleich beneidet und bemitleidet hat, wird in den Strudel der Trauer und des Chaos gezogen. Lola, die älteste Tochter von Helene, sucht nach einer Möglichkeit, mit ihren Emotionen fertigzuwerden, und konzentriert sich auf das Gefühl, das am stärksten ist: Wut.
Protagonist*innen:
Das Buch wird aus zwei Perspektiven erzählt:
- Sarah, die beste Freundin von Helene, sie ist mit ihr aufgewachsen und kennt sie besser als jede andere Person;
- Lola, Helenes Tochter, die ihre Mutter nur als Mutter kennt und nun nicht nur merkt, dass etwas fehlt, sondern auch durch Sarah Aspekte ihrer Mutter kennenlernt, die ihr vorher nicht bewusst waren.
Beide Perspektiven sind gut voneinander unterscheidbar, im Hörbuch wurden die Perspektiven von zwei Sprecherinnen vertont: Marie-Isabel Walke und Ulrike Kapfer. Ich habe ins Buch hineingelesen, es gibt aber Themen und Genres, die ich besser gehört aufnehmen kann, als gelesen. So war das auch hier der Fall, was aber keinen Qualitätsmangel bedeuten soll.
Meine Gedanken:
Ich finde, das Buch »Die Wut, die bleibt« ist eins der wichtigsten Bücher auf dem deutschen Buchmarkt. Meiner Meinung nach sollte es in Schulen ab bestimmten Klassenstufen zur Pflichtlektüre gehören. Ich bin keine Frau, aber ich gehöre einer marginalisierten Gruppe an, die unter patriarchaler Gewalt zu leiden hat. Angriffe und Übergriffe kenne ich, wenn auch Frauen mit deutlich anderen zu kämpfen haben. Die Wut, die beschrieben wird, insbesondere bei Lola, kann ich recht gut nachvollziehen. Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft endlich über diese totgeschwiegenen Themen sprechen, anstatt sie unter dem Deckmantel der Sittlichkeit zu verstecken.
Lola stellt im Buch die Frage, warum andere Menschen sich nicht radikalisieren? Sie ist rebellisch, zunächst scheut sie körperliche Gewalt, doch mit jeder Erfahrung sieht sie diese zunehmend als einziges Ventil für Wut und Protest. Ich habe mich während des Lesens immer wieder dabei erwischt, wie ich mit ihr mitgefiebert habe. Ich habe gehofft, dass die Menschen, die anderen grausame Dinge antun, dafür bezahlen müssen, auch wenn das, was sie da tut, Selbstjustiz ist. Gleichzeitig wollte ich nicht, dass sie dafür bestraft wird. Ob sie es wird oder nicht, müsst ihr nachlesen. Nur so viel: Mich hat das Ende sehr überrascht.
Umgang mit der Wut
Zurück zu Lola. Sie ist der Charakter, mit dem ich offensichtlich am meisten anfangen konnte, auch wenn ich nicht der Gen Z angehöre. Das Entdecken der eigenen Queerness und die Wut, die patriarchale Gewalt auslöst, kann ich nachvollziehen. Meine Bewunderung für Lola und ihre Radikalität ist groß, denn ich könnte mich Menschen, die mich so angehen, nicht derart entgegenstellen!
Versteht mich nicht falsch, ich kann ihre Wut und Gewalt nachfühlen, aber es ist nicht mein Weg. Ihre Selbstjustiz mag eine Form der Selbstermächtigung sein, doch im gesamtgesellschaftlichen Diskurs führt sie, denke ich, nicht weiter.
Ihr seht, ich bin an der Stelle ambivalent. Ich selbst habe vor Kurzem einen Beitrag über meine Wut und meinen Umgang damit geschrieben. Jeder Angriff sorgt dafür, dass ich immer öfter denke, wir sollten nicht mehr nur Gleichberechtigung fordern, sondern Rache. Psychologen empfehlen allerdings Methoden wie Vergebung und Versöhnung anstatt Rache, weil diese für die Person selbst auch negative Konsequenzen hat und eben der Diskurs dadurch nicht vorangeht.
Aber wie soll ich jemandem vergeben, wenn die Angriffe nicht aufhören?
Im Gegenteil, wenn wie im Moment die Straftaten gegen Queer immer weiter zunehmen?
»Mehr als jeder Zehnte dieser Fälle – 1.785 Straftaten – richtete sich im vergangenen Jahr laut BKA gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen.«
https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/lgbt-queer-hass-gewalt-straftaten-100.html
Hier könnt ihr Einzelmeldungen bis heute nachlesen:
https://www.lsvd.de/de/ct/3958-Alltag-Queerfeindliche-Gewaltvorfaelle-in-Deutschland
Also ja, Gewalt ist nicht mein Weg, aber wie soll man handeln,
wenn es keinen Fortschritt gibt und die Angriffe immer schlimmer werden?
Fazit
Das Buch »Die Wut, die bleibt« ist vielschichtig und gut aufgebaut, viele Aspekte konnte ich hier noch gar nicht näher darstellen. Es ist ein feministischer, sozialkritischer Roman, der aufrührt. Für Betroffene patriarchaler Gewalt rüttelt er auf und macht die Spirale der Wut schmerzhaft bewusst, während er Unbeteiligten eindrücklich vor Augen führt, welche Konsequenzen drohen, wenn diese nicht durchbrochen wird.
Ich gebe dem Buch 5 von 5 Sterne!

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