Der Tatort

Text: Christinchen InstagramTwitch
Bild: Canva
CN: Illegaler Tierhandel, Beschreibung eines Mords und Blut

Janika stand vor dem Haus, das gelbe Absperrband flatterte im Wind. Es kennzeichnete den Tatort als solchen und riet deutlich davon ab, ihn zu betreten. Doch die Kripo war mit ihrer Arbeit für den Tag durch, die Nacht hatte begonnen nun war es an ihr mit ihrem Teil der Begutachtung beginnen.

Wie immer hatten die Nicht-Magier das reinste Chaos hinterlassen. Abgestandene Luft schlug ihr entgegen als sie die Tür öffnete, es roch bereits nach Verwesung. Sie zog den Schal ihrer Uniform vor Mund und Nase und legte einen leichten Schutzzauber in den Stoff, der sie nicht nur vor schädlichen Chemikalien und Krankheitserregern schützen würde, sondern auch vor dem schrecklichen Gestank.

Sie holte ein letztes Mal tief Luft, dann trat sie ein und stand mitten im Tatort. Um sie herum war nichts als Chaos und Verwüstung. Das Haus war von außen unscheinbar gewesen, doch die kleine Wohnung, die einmal gemütlich eingerichtet gewesen sein musste, war kaum noch als solche zu erkennen.

Tische und Stühle waren umgeworfen, Sofakissen zerfetzt und die Wattefüllung überall verteilt. Wäre sie weiß gewesen, hätte sie fast wie Schnee wirken könnten, dachte sie für einen Moment. Doch wie es war, war sie blutgetränkt und tiefrot.

Was zu Hölle war hier nur passiert? Musste sie sich unwillkürlich fragen. So einen Tatort hatte sie noch nie gesehen. Es sah auf den ersten Blick überhaupt nicht nach ihrem Aufgabengebiet aus. Sie war eine Waldmagierin und sicher, sie kümmerte sich um allerlei Mord und Totschlag, aber zwischen Gnomen und Zwergen und allen anderen Mistviechern, die der Wald so hergab, nicht zwischen Menschen, dafür gab es andere Abteilungen.

Dennoch: Magistra Sarian hätte sie nicht hier hergeschickt, wenn es nichts mit ihrem Gebiet zu tun hätte, da war sie sich sicher. Die alte Frau, mochte sie vielleicht an den meisten Tagen nicht sonderlich, doch die nahm ihre Aufgaben ernst und sie verschwendete niemands Zeit.

Vorsichtig ließ Janika ihre Hand durch die Luft gleiten. Ihre Magie huschte wie kleine Leuchtkäfer durch den Raum und blieb überall dort hängen, wo es etwas Verdächtiges zu finden gab. Am Sofa sammelten sich die leuchtenden Punkte, vereinzelt in der verstreuten Wattefüllung und am Fenster oder was davon übrig war. Denn die Glasscheibe war eingeschlagen, spitze Splitter zierten den Holzrahmen.

Sie begann am Fenster. Es war von innen eingeschlagen worden, so viel war ihr schnell klar. In der Wohnung waren nur weniger Glassplitter zu finden, die meisten sah sie im Schimmer der Straßenlaterne im Hinterhof des Hauses. Aus dem zweiten Stock von oben herab schauend, war leicht zu sehen, wie weit sie überall verteilt waren. Was auch immer das Chaos angerichtet hatte, es musste groß gewesen sein.

Gerade wollte sie sich dem Sofa oder was davon übrig geblieben war zu wenden, da sah sie ein Büschel Fell, verdächtig bläulich-grünes Fell.

Vorsichtig lehnte sie sich nach vorne und zupfte es mit den Fingern heraus. Es war weich, überraschend so. Und im Licht glänzte und glitzerte es. Oh, das war definitiv eins ihrer Probleme. Mist! Aber was war es? Sie hatte noch nie eine Kreatur gesehen, die solch eine Verwüstung anrichten konnte und trotzdem so ein weiches Fell hatte.

Ihr Blick fiel auf das Sofa. Was auch immer es war, es hatte Krallen und wusste sie anzuwenden. Die Frau, die in der Wohnung gelebt hatte, hatte es das Leben gekostet. Janika hatte gehört wie die Polizisten es als Gräueltat sondergleichen bezeichnet hatten. Sie hatten sie ganze Wohnung nach Messern und Klingen abgesucht. Ohne Erfolg.

Wie auch? Janika schüttelte den Kopf. Exakt drei gleichmäßige Schlitze durchzogen das Sofa und seine Kissen an etlichen Stellen. Sie legte ihre Hand darüber, das Wesen hatte etwa so große Pfoten wie sie Hände hatte. Das war erstaunlich klein für das Ausmaß an Zerstörung.

Sie zögerte. Es machte einfach keinen Sinn, dass ein Wesen des Waldes in eine Wohnung mitten in der Stadt eindrang. Sicher, Banden von Kobolden waren immer mal wieder an den Mülleimern in den äußeren Bezirken zugange. Aber die kleinen Mistkerle ließen sich so oder so von nichts und niemandem Einhalt gebieten.

Seit der großen Gnom-Plage im letzten Jahr hatten sie eigentlich vergleichsweise wenige Probleme gehabt. Pixies griffen immer mal wieder Wanderer im Wald an und sie hatte in Zusammenarbeit mit Forstamt einige Wege sperren müssen bis sich die Lage beruhigt hatte. Doch das hier war etwas ganz anderes. Es war nicht ihr übliches Pestproblem, dass durch eine Überpopulation im Wald hervorgerufen wurde.

Nein, das hier war eindeutig ein Raubtier. Und die gab es soweit südlich eigentlich nicht. Oben in den Bergen, hatten die Waldmagier mit Wer-Kreaturen aller Art und wenn im Winter Schnee lag auch mal dem ein oder anderen neugierigen Yeti zu kämpfen. In ihrem Wald herrschten Gnome, Kobolde und allerlei Kleinvieh über. Sie hatten hier keine natürlichen Fressfeinde und verbreiteten sich mehr als ihr lieb war.

Konnte es am Ende doch eine reine Menschentat gewesen sein, die der Frau das Leben gekostet hatte? Oder vielleicht ein nicht übernatürliches Tier? Doch die Klauen und das blau schimmernde Fell, sagten ihr eindeutig, dass dem nicht so war.

Mit einem Seufzen lief sie weiter durch die Wohnung, vielleicht würde ihr irgendetwas einen weiteren Hinweis geben.

Ihre Magie eilte ihr in kleinen funkelnden Kügelchen voraus und klebte sich an den Blutspuren an der Wand entlang fest, bevor sie mit einem Mal in einem riesigem Schwarm Glühwürmchen an ihr vorbeirauschte und in ein angrenzendes Zimmer.

Sie trat vorsichtig in das Zimmer ein. Die Wut der Zerstörung hatte auch hier nicht halt gemacht. Das Bett, das mittig im Raum stand, war vollkommen zerfetzt. Daunenfedern lagen umher und bedeckten alles, was sich sonst im Raum befand. Fast wäre ihr deswegen der kleine Käfig in der Ecke nicht aufgefallen. Doch ihre Magie pulsierte förmlich darin.

Der Käfig war eindeutig für einen Hund gedacht, doch die Stäbe waren aufgebogen und gerissen, wo sich der Bewohner mit Gewalt nach draußen gekämpft hatte. Auf dem Boden des Käfigs lagen die zwei blau gesprenkelten Hälften eines Eis. Es war etwa so groß wie eine Melone und Janika hatte eine düstere Vorahnung um was es sich bei ihrem Problemtier handeln konnte.

Mit schnellen Schritten rannte sie aus der Wohnung und aus dem Gebäude, direkt in den Hinterhof. Die Glasscherben auf dem Boden waren ebenfalls mit Blut besprenkelt. Das Tier war also verletzt und wahrscheinlich extrem ängstlich und nicht gut auf Menschen zu sprechen, wenn der Tod seiner Besitzerin ein Indiz war.

Sie musste es in dem winzig kleinen Käfig gehalten haben seit es geschlüpft war. Die Eier waren immer mal wieder auf dem magischen Schwarzmarkt zu finden. Sie wusste, dass die Akademie viel Zeit und Geld darin steckte, sie alle ausfindig zu machen und die Eier, sofern sie noch okay waren, auszubrüten und die Wesen in ein Gebiet, das artgerechte Haltung ermöglichte zu geben.

Ein leises »rrrruuuuuu?!«, riss sie aus ihren Gedanken. Es war von einem Rascheln hinter den Mülltonnen gefolgt. Nein, von in einer der Mülltonnen, verbesserte sie sich. Vorsichtig öffnete Janika die Tonne. Sie wusste nicht, was sie recht erwartete, aber sie war kampfbereit und das Tier darin auch. Nur, dass es gegen die Tonne, in der es feststeckte, zu kämpfen schien und nicht gegen sie.

»Oh, mist!«, murmelte sie leise. Das verzweifelte Flattern von Flügeln in viel zu engem Raum klang gefolgt von einem fast traurig klingenden »rrrrruu.«

»Oh, du Armer«, flüsterte sie und hatte eine Hand ausgestreckt und über den flauschigen Kopf des Wesens gestrichen bevor, die Tatsache, dass das ihre Hand in Reichweite des scharfen Schnabels bringen würde, richtig in ihrem Kopf ankam.

Leuchtend grüne Augen trafen ihre und der vogelartige Kopf legte sich fast fragend zur Seite.

Später würde sie sich fragen, was zur Hölle sie sich dabei gedacht hatte. Aber in dem Moment wusste sie einfach nur, dass sie dem Tier helfen musste. Also trat sie näher an die Tonne und sah, dass es sich hilflos in der Tonne verkeilt hatte. Vielleicht hatte es sich dort verstecken wollen als die Sirenen der Polizei angekommen waren. Vielleicht hatte es nach Futter gesucht. Janika wusste es nicht. Aber es machte auch keinen Unterschied.

Beherzt griff sie unter die Flügel des Tiers und versuchte es um die Mitte zu fassen zu bekommen. Wenn sein Käfig in der Wohnung für einen großen Hund ausgelegt war, dann überschritt es diese Größe trotz seines wohl noch so jungen Alters dennoch.

Kaum waren die Flügel aus der Tonne befreit, fing es an wild damit zu schlagen und sowohl Janika als auch die Tonne kippten nach hinten über.

»Autsch!«, fluchte sie laut.

»rruuuuu?«, kam es von dem Tier, das nun neugierig über ihr lehnte und sie begutachtete. Es schien unglaublich intelligent, dachte Janika. Ob sie es wohl von hier weg und an einen sicheren Ort locken konnte bevor Nachbarn sie sahen und die Polizei erneut hier auftauchte?

Sie wusste nicht, was mit dem Wesen passieren würde. Es war mehr als klar, dass es illegal gekauft und nicht artgerecht gehalten wurde. Aber ob man es jemals wieder auswildern konnte, das war fraglich.

»Magistra Sarian!«, rief Janika in ihr Telefon, nachdem sie die Frau endlich erreicht hatte. »Ich war an dem Tatort in der Stadt. Sie hatten Recht, es war definitiv einer unserer Fälle. Könnten Sie vielleicht jemanden von der exotischen zoologischen Ableitung in meiner Wohnung vorbeischicken?«

Der Greif nahm einen weiteren Happs von ihrer Pizza und streckte sich gemütlich auf ihrem Sofa aus.