Kurztexte aus dem Stream vom 04.12.2020
Grau
Grau war der Himmel über der Stadt als Louise ihren Einkauf erledigte. Es war der erste Tag, in dieser Woche in der sie überhaupt das Haus verließ Sie Schaute zum Himmel und dachte sich, dass der Himmel ihren Gedanken und ihrem Leben im Moment glich. Jeden Tag dasselbe sie stand auf, setzte sich mit einem Kaffee an ihren Laptop, erledigte ihre Arbeit im Home-Office, machte sich gegen Mittag erst Frühstück, arbeitete anschließend weiter und machte gegen 18 Uhr Feierabend. Schaute sich eine Folge ihres Lieblings Krimis Poirot auf DVD an und ging dann ins Bett. Nur um am nächsten Morgen wieder aufzustehen und dem gleichen Trott zu folgen. Seit sie im Home-Office arbeitete, arbeitete sie sogar mehr als vorher. Hier gab es keine Kollegen, die sie von ihrem Job ablenkten. Sonst ließ sie sich ihren Einkauf immer Liefern, aber in dieser Woche gab es einen höheren Andrang und so würde der Lieferant erst am Montag gegen 18 Uhr kommen können.
Also entschied sie, ihre Maske aufzusetzen, um an diesem Freitagmorgen einzukaufen. Auf dem Weg zum Supermarkt sah sie nicht viele Menschen. Aber mehr als im letzten halben Jahr. Eigentlich sah sie bis auf Postboten und den Supermarkt Lieferanten niemanden mehr. Sie hatte keine Familie und ihre beste Freundin war im letzten Jahr nach Kanada ausgewandert.
Gedankenverloren ging sie den Blick gen Boden gerichtet. Am Straßenrand viel ihr ein kleines graues Kätzchen auf. Ganz alleine saß es da und schaute sie mit großen Augen an. „Miau“ „Na zu wem gehörst du denn?“, sagte Louise. „Miau“, antwortete die Katze und begann sich an ihrem Bein zu schmiegen. Die Katze folgte Louise bis zum Supermarkt, blieb aber an der Tür stehen und wartete.
Louise im Supermarkt kaufte einer Eingebung folgend Katzenfutter. Die kleine graue Katze saß, als Louise wieder aus dem Supermarkt kann immer noch wartend davor.
Sie folgte ihr bis nach Hause und an Louises Wohnung angekommen ging sie direkt hinein und setzte sich auf den Sessel, als ob sie schon immer hier gewohnt hätte.
Dann ging alles sehr schnell. Die Katze war geschippt, aber die vorherige Besitzerin war leider verstorben. Das Kätzchen ist aus seiner Übergangsbleibe verschwunden. Nach ein paar Telefonaten mit der Notfallaufnahme konnte Louise das kleine graue Kätzchen behalten.
Ihr Alltag war zwar nun immer noch grau, aber das grau wurde nun ergänzt durch ein kleines graues Kätzchen, dass nichts lieber Tat als mit ihrer neuen Besitzerin, schnurrend auf der Couch zu liegen und Poirot zu schauen.
Bild
Menschen sehen sich häufig sehr anders, je nachdem wie sie sich fühlen.
Marietta stand an diesem Morgen sehr ausgeschlafen und glücklich auf.
Sie schaute sich ihr Spiegelbild an.
Reine Haut, ein paar wenige gerötete Stellen im Gesicht, eine kleine Stupsnase, grau/grüne, wache Augen und ein freundliches Lächeln, strahlten ihr aus dem Spiegel entgegen.
Nicht einmal diese eine widerspenstige Haarsträhne, die ihr immer ins Gesicht viel, ärgerte sie an diesem Morgen. Sie wusch sich, zog sich an. Sie wählte eine fröhliche Kombination aus ihrem schwarzen Nietenrock mit einem roten Shirt auf dem Skelette im Chibi-Stil zu sehen waren. Sie zog noch einmal ihren schwarzen Eyeliner, der heute perfekt saß nach und ging runter zum Frühstück.
Ihre Mutter beäugte Marietta kritisch.
„Musst du dich immer so düster kleiden“, fragte sie ihre Tochter.
So sah sich Marietta aber nicht.
Freundlich antwortete sie ihrer Mutter: „Ich bin nicht düster angezogen, ich hab gut geschlafen, danke der Nachfrage und richtig gute Laune. Sieht man das nicht, dieses niedliche Shirt hatte ich schon lange nicht mehr an.“
„Sei nicht so frech. Warum ziehst du dir nicht einmal das Kleid an, was Oma dir zu Weihnachten geschenkt hatte.“
„Du meinst das rosa farbene mit den Rüschen? Mutter sowas tragen doch nur Babys.“
„Dann nutze doch wenigstens mal schöne Farben zum schminken und nicht immer diese furchtbaren schwarzen Balken.“
Marietta wurde nun so langsam ernsthaft wütend. Sie ist mit so guter Laune aufgestanden und jetzt hatte ihre Mutter nichts Besseres zu tun, als durchgehend ihr Äußeres zu kritisieren.
Sie polterte los: „Wenn du nichts Besseres zu tun hast, als an meinem Äußeren rumzumeckern, dann hast du anscheinend nichts zu tun. Vielleicht täte dir mal gut, dir endlich wieder einen Job zu suchen, anstatt dich von deinem Mann aushalten zu lassen und nur am Äußeren deiner Tochter rumzumeckern.“
Im selben Moment als sie das sagte, taten ihr die Worte schon wieder leid. Aber sie konnte und wollte jetzt nicht mehr zurück. Sie schnappte sich ihr Schulbrot, dass sie sich während der wenigen Minuten gemacht hatte, ihren Rucksack und rauschte aus der Tür. Nur um sie geräuschvoll zuknallen zu lassen.
Sah Marietta auf dem Weg nach draußen, wie ihre Mutter eine Tränen in den Augen standen? Jetzt tat sie ihr richtig leid, sie bemühte sich sehr, einen neuen Job zu finden, in ihrer Branche hatte es sich rumgesprochen, dass sie ihren Chef wegen sexueller Belästigung angezeigt hatte. Sie war zwar im Recht, aber jemanden, der den eigenen Arbeitgeber anzeigt, stellt man nicht ein. Sie war nun wütend über sich, sie hätte ihre Mutter nicht so anfahren sollen.
Marietta zog ihren Taschenspiegel hervor und überprüfte ihren Lidstrich.
Er war wirklich etwas dick gezogen heute und an ihrer Stirn prangte ein roter Fleck, da würde im Laufe des Tages ein Pickel wachsen. Außerdem wie konnte sie diese Kombination überhaupt erwägen anzuziehen. Seit kurzem fand sie doch ihre Beine so dick und die dunkle Strumpfhose, die sie trug, betonten das ganze noch.
Ihre Klassenkameraden würden sie sicher auslachen. Aber sollte sie nun zurückgehen und sich schnell umziehen. Eigentlich sollte sie sich bei ihrer Mutter entschuldigen, aber würde sie dann noch rechtzeitig zur Schule kommen?