Wovon träumt ein Märchen?
Von ©Gipfelbasilisk zur Wpd? Aufgabe März 2025
Die Texte wurden nicht lektoriert und korrigiert und geben den Einsendungszustand wieder.
Contentnotes: Bulliing, Orientierungslosigkeit, etwas in ein Getränk mischen
Der Faden flog silbrig glänzend durch die Luft. Mit feiner Nadel verwob ich diesen zu einem dichten Geflecht. Ein letzter Blick auf meine Klientin. Sie wurde schon seit Längerem von einem Warlock verfolgt und hatte Angst, dass er ihre Magie stehlen würde.
„Willst du das wirklich? Bedenke, ein Fluch ist schnell gewoben, aber erst einmal mit deinem Schicksal verflochten, löst er sich nur auf, nachdem sein Werk vollendet ist.“
Die Elfe zögerte, ihre Flügel, die der der Monarchenfalter ähnelten, verteilten nervös Staub auf meinem Fluchrahmen. Er verband sich mit dem Holz und bildete eine rostbraune Schicht. Ich würde ihm hinterher einer tiefen Reinigung unterziehen müssen. Ein zaghaftes Nicken bedeutete mir, fortzufahren. Das magische Geflecht, das sich vor meinen Augen materialisiert hatte, legte sich auf ihre Flügel nieder und ihr Schicksalsgewebe leuchtete vor meinen Augen auf. Lange hatte ich diese Kunst studiert und so brauchte es nur drei elegant geführte Stiche, um den Fluch mit ihrem Schicksal zu verbinden.
„So sei es!“, mit diesen drei Wörtern beendete ich immer meine Arbeit.
„Es wird wirklich kein Makel auf mir verbleiben?“, fragte die Elfe erneut.
„Ich bin zwar ein Fluchweber, aber es ist ein reiner Abwehrfluch. Wenn er einen Zauber auf dich wirkt, um deine Magie zu stehlen, wird seine Zauberkunst blockiert und er kann sie nie wieder gegen dich richten. Vertrau mir.“
„Einem Fluchweber zu vertrauen ist nicht gerade einfach, hätte ich eine Wahl, wär ich sicher nicht zu dir gekommen.“ Sie bekräftigte ihren Unmut, indem sie extra mit den Flügeln schlug und noch mehr Staub auf meinem Fluchrahmen verteilte, auf dem sich immer mehr magischer Rost absetzte. Sie pfefferte mir den Sack mit der Bezahlung vor die Füße und verließ mein Atelier. Resigniert hob ich das Silber auf und machte mich daran, den Rahmen vom Rost zu befreien. Ich hatte so viele Jahre hart dafür gearbeitet, diese Kunst zu erlernen. Trotzdem fühlte es sich nicht richtig an. Am Ziel seiner Träume zu sein und dennoch so viel an meiner Arbeit zu hassen, war nicht richtig. Ich sah diese Kunst als etwas Schönes an, mit dem ich den Wesen half. Auch wenn ich der schwarzen Zunft angehörte, tat ich niemandem etwas zu leide. Meine Gewebe halfen den Wesen, sich vor den wahren schwarz magischen Wesen zu schützen. Nicht mehr und nicht weniger. Und was war der Dank? Ein wenig Silber und blutende Finger, weil ich meinen Fluchrahmen erneut per Hand abschleifen musste. Danach die Tiefenreinigung mit der Lauge, um die restlichen Elfenstaubpartikel zu zersetzen. Hinter mir öffnete sich die Tür, der Duft nach Kaffee erfüllte mein kleines Atelier.
„Genau zur richtigen Zeit“, sprach ich und drehte mich um.
„Hartes Klientel heute?“, sagte die Koboldfrau und reichte mir einen ihrer wunderbaren Kräuterkaffees. Das weiß magische Wesen hieß Amber, war meine Nachbarin und beste Freundin.
„Eine Elfe, die Schutz benötigte, zum Dank hat sie mir noch meinen Rahmen versaut.“
„Das wäre nicht passiert, würdest du dich endlich zu dem bekennen, was du bist!“
Ich warf ihr einen vielsagenden Blick zu und nippte an dem starken Gebräu. Er schmeckte anders als sonst, weckte aber meine Lebensgeister zu neuem Mut.
„Ich meine das ernst, wir sollten uns endlich zusammenschließen.“ Sie legte mir warm und freundschaftlich die Hand auf den Arm. „Denke darüber nach, oder träume mal wieder, du musst diesen Kreis nicht immer wieder von Neuem beschreiten.“
„Da merke ich wieder, dass du ein weiß magisches Wesen bist. Diesen heillosen Optimismus finde ich nur bei euch.“
„Ich meine es ernst. Ab ist Bett und Schlaf gut!“, sie drehte sich um und ging.
Ich nahm einen weiteren Schluck und spürte, wie ich zwar wacher im Geist, aber mein Körper müde wurde. Sie hatte doch nicht? Oh, diese verflixten weiß magischen Wesen, mussten sich immer in alles ungefragt hineinstecken. Ich schaffte gerade noch, mich hinzulegen, bevor der Schlaf sich meiner bemächtigte. Ich wurde ruhig. Das Getümmel der Straße wurde immer leiser. Dann wurde die Stille des Raumes von einer leisen Stimme durchbrochen. „Es wird einmal …“, flüsterte sie, und während ich die Augen schloss, verschwammen die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit.
…
„Es ist Zeit für die Schule!“, donnerte eine fröhliche Stimme in meinem Kopf.
„Noch fünf Minuten“, grummelte ich.
„Nein, du kommst sonst zu spät.“ Ein kratzendes Geräusch erklang, warmes, viel zu grelles Licht fiel auf meine Haut. Eine Hand, die an meiner Schulter rüttelte. „Nun steh schon auf, oder soll ich einen Eimer Wasser holen?“
Müde öffnete ich die Augen. Im Gegensatz zu dem erwarteten Atelier befand ich mich in einem überfrachteten Zimmer. Bilder aus Papier mit quietschbunten Monstern, Ausschnitte mit Textabschnitten, vollgestopfte Regale, ein Hüne von einem Schrank und ein Tisch, auf dem sich Papiere und Ordner in unterschiedlichsten Farben stapelten, nebst einem schwarzen eckigen Ungetüm mit grauem Rand. Vor meinem Bett stand eine Frau mit aufgebauschten Haaren.
„Los jetzt oder willst du wieder zu spät kommen.“ Sie riss mir erbarmungslos die Decke weg. Was erdreistete sich dieses Wesen, mich so zu behandeln. Ich sah an mir herab und erschrak. Ich war kleiner als sonst und mein Körper war in einem schlabberigen Gewand aus dickem Stoff mit ebendiesen quietschbunten Monstern von den Wänden gehüllt.
„In fünf Minuten gibt es Frühstück, also beeil dich!“
Verdattert regte ich mich kein Stück. Was war das für ein seltsamer Ort?
„Benötigst du noch eine Extraeinladung. Mensch, heute bist du ja besonders langsam im Denken.“ Sie eilte an den Schrank, riss ihn auf und holte Kleidung heraus, die im Schnitt der ähnelte, die ich gerade trug, nur der Stoff war anders und die Hose hatte seltsame Stränge. Sie verließ das Zimmer. Ich nahm die Kleidung, entledigte mich der alten und zog sie an. Für die Stränge waren Knöpfe an der Vorderseite, sodass die Hose an meinen Schultern gehalten wurde. Praktisch. Die Kleidung war bequem, auch die Schuhe, die ich fand. Ich verließ den Raum und trat in einen Flur, hinter einer verglasten Tür hörte ich geschäftiges Treiben und trat ein.
„Hast du dir die Zähne geputzt und die Haare gekämmt?“, erschallte es, noch bevor ich richtig eingetreten war.
Diese ganzen Anforderungen an mich überforderten mich. Wut stieg in mir auf. Ich fuhr mit der Hand durch die Luft. Aber meine Nadel erschien nicht. Ich wiederholte die Bewegung. Nichts.
„Was machst du da?“, erklang hinter mir eine Stimme. Ich drehte mich um. Eine junge Frau, etwas größer als ich, blondes Haar stand vor mir.
„Ich versuche, meine Nadel zu rufen.“
Sie verdrehte die Augen, drängte sich grob an mir vorbei, öffnete die Tür ganz und trat sich in den Raum. „Mama, er träumt schon wieder irgendwelchen Mist zusammen“, sagte sie zu der großen Frau, die nun in mein Sichtfeld trat und mich ärgerlich anfunkelte.
„Du bist immer noch nicht fertig. Halt nicht Maulaffen feil und beweg dich.“
Ich reagierte nicht, wo war meine Magie, wieso erschien meine Fluchnadel nicht? Hart gruben sich Finger in meine Schulter, ich wurde umgedreht und ein Mann drängte mich in einen kleinen steril weißen Raum. Wenigstens kamen mir hier Dinge bekannt vor. Das musste ein Badezimmer sein. Ich sollte mir die Zähne putzen. Ich nahm eine Bürste. Barsch wurde mir eine andere in die Hand gegeben.
"Man putzt sich nicht mit der Bürste von anderen Menschen die Zähne, was ist denn heute mit dir los?", fragte der Mann.
„Müde!“, sagte ich reflexartig.
So ging es den Ganzen morgen weiter. Mir wurden Aufgaben gestellt, ich musste sie lösen. Ich war zu perplex, um mich zu wehren. Als sie mir aber sagten, ich wäre zu jung für Kaffee, platzte mir die Hutschnur. „Wie soll ich denn dann wach werden?“, schrie ich ihnen entgegen und bevor sie etwas sagen konnten, donnerte ich: „Ich bin ein vierzigjähriger Fluchweber mit Auszeichnung der Schattenuniversität von Sagram, wenn ich einen Kaffee will, bekomme ich einen.“
Der Mann und die Frau begannen zu lachen. Sie nahmen mich einfach nicht ernst. Das Mädchen sagte: „Jetzt ist er völlig irre geworden!“
„Der Junge scheint heute noch in seinen Träumen zu hängen, ich fahre ihn sicherheitshalber in die Schule, bevor er uns noch vor ein Auto rennt.“
„Mach das!“, sagte die ältere Frau und tätschelte mir den Kopf.
Viele Menschen in meiner Größe rannten auf ein graues Gebäude zu, ihre vielen kleinen Stimmen stachen in meinem Kopf, in dem sich inzwischen eine fette Migräne zusammenbraute. Ich wurde aus dem Auto komplementiert, etwas, das es auch in meiner Welt gab, nur dass aus ihren Gefährten grauschwarzer Dampf drang, der höllisch stank.
„Hey Carl, ich hab’ schon auf dich gewartet. Los, wir müssen uns beeilen. In der ersten Stunde haben wir Mathe bei Herrn Balduin und du weißt doch, wie er ist?“
Nein, wusste ich nicht, ich ließ mich einfach mitziehen und machte gute Miene zu bösem Spiel. Wir wurden in einen Raum gesperrt, in dem viele Menschen in meiner Größe saßen. Eigentlich viel zu jung für ein Studium der Magie. Warum war ich hier? Warum musste ich alles von Neuem erlernen? Ein Mann betrat den Raum, es wurde still. Er begrüßte uns und die anderen antworteten unisono. Dann begann er, Zahlen und Formeln auf die Tafel zu schreiben, es waren einfachste Berechnungen, Sachen, die wir in meiner Welt zu Hause erlernten.
Nach diesem Unterricht, der mir schier endlos erschien, betrat eine Frau die Klasse. Ich konnte von den Namen meines Sitznachbarn, der mich mit in diesen Raum genommen hatte, von seiner Mappe ablesen. Michael hieß er. Die Frau hieß Frau Bertram. Sie unterrichtete uns in einer Sprache, die ich nicht verstand. Gegen Ende der Stunde war sie so wütend auf mich, dass sie meinte: „Ich werde einen Eintrag in deinem Hausaufgabenheft vornehmen. Ich verlange, dass du sie deinen Eltern zeigst und mir unterschieben morgen in der Pause ins Lehrerzimmer bringst.“ Als ich freundlich mit einem knappen in Ordnung darauf antwortete, wurde sie noch wütender. Ich solle nicht so frech sein, sonst dürfte ich die Pause beim Direktor verbringen. Ich sagte lieber gar nichts mehr.
Nach der Stunde nahm mich Michael mit auf einen Platz in der Sonne, wo die vielen Kinder spielten.
„Was ist denn heute los mit dir? Englisch bereitet dir doch sonst keine Probleme?“
Ich zuckte nur mit den Schultern und sah mich weiter um. Bis jetzt konnte ich noch kein anderes Wesen als Menschen entdecken. Auch wurde keine Magie gewirkt und wenn, dann nicht offen. Auch das, was uns gelehrt wurde, fand ich seltsam. Die Lehrer*innen standen nur an der Tafel und trichterten uns Wissen ein. Praktischen Unterricht, der einen im Leben weiterbrachte, gab es nicht.
„Schaut mal, da sitzen sie, unsere Looser!“, donnerte die Stimme eines Jungen über den Platz. Ich sah auf und sah, dass er auf uns zeigte.
Drei grobschlächtige Jungen kamen auf uns zu gestapft.
„Lass uns lieber das Weite suchen“, sagte Michael ängstlich, stand auf und ging. Ich folgte ihm, aber die Jungen kamen uns hinterher. Grölten etwas von wegen Schisser, Stinkmorcheln und sonst was. Vermutlich waren das Beschimpfungen, die ich nicht verstand. Aber ich verspürte keine Angst. Im Gegenteil, es reichte mir. Ich drehte mich um und funkelte die Jungen, die auf mich zu rannten, böse an.
„Lass das lieber, die werden dich verprügeln!“, sagte Michael und wollte mich wegziehen.
„Das wollen wir erst einmal sehen.“
„Oh, der Schisser rennt nicht weg“, sagte der größte der Drei und stellte sich vor mich.
„Drei gegen einen, sehr mutig“, spie ich ihm entgegen. Meine Hände formten wie automatisch einen Fluch. Warm spürte ich sie kribbeln. Es musste einfach gelingen.
„Oh, du willst tanzen?“, sprach der Große belustigt.
Tanzen, nein, ich werde dich verfluchen, dachte ich. Riss die Hände nach vorn in seine Richtung und schrie dabei. Ich hasste diese schnell gewundenen Flüche, aber im Notfall webt der Fluchweber mit Fusseln.
Die Jungs lachten. Nichts passierte. Sie äfften meine Bewegungen nach und der größte hielt sich vor Lachen den Bauch. „Sehr beeindruckend, was sollte das werden? Zu viele Animes geschaut, du kleiner Nerd. Glaubst etwa, du könntest zaubern.“
In mir brodelte es, warum wirkte meine Magie nicht. „Geh mir aus der Sonne“, knurrte ich ihn an. Meine Hand zur Faust geballt.
Der größte sah mich an, sah an mir herab. „Was sonst“, zischte er.
Wie automatisch pfefferte ich meine Faust in Richtung seines Gesichtes. Aber er hielt sie einfach auf. Lachte, holte seinerseits aus und es wurde schwarz um mich.
…
Mein Kopf brummte. Ich setzte mich auf. Saß in meinem Bett in meinem Atelier. Zum Glück war es nur ein Albtraum. An meinem Fußende saß Amber.
„Ganz schön wirre Träume hast du mir beschert.“
Sie lächelte bitter. „Ich hatte keine andere Wahl. Du musstest es sehen. Die Welt, die entsteht, wenn wir so weitermachen wie bisher. Schwarz und Weiß darf nicht getrennt bleiben. Das Gleichgewicht schadet der Magie. Sie muss frei sein, kreativ und wunderschön, nicht wie sie jetzt ist. Getrennt, in ein enges Korsett an Erwartungen gezwängt.“
„Das meintest du also mit bekenne dich zu dem, was du bist.“
Sie lächelte. „Ich habe den Traum von der anderen Welt schon so lange. Eine Welt, in der wir Wesen nicht mehr existieren und Magie gestorben ist. Wenn du sie gesehen hast, hast du auch gesehen, wie sehr unsere Welt schon der anderen ähnelt. Sei so wunderbar grau, wie du es eh schon bist. Höre auf, an die starren Grenzen zu glauben, die sie uns seit unserer Kindheit eingetrichtert haben. Ich kenne dich und deine Träume. Du hattest doch schon lange den Plan, die Grenzen zu sprengen. Werde ein grauer Fluchweber. Dann musst du auch nicht ständig deinen Rahmen abschleifen.“
„Du weißt selbst am besten, dass das nicht so einfach ist.“
Amber lachte, wischte mit der Hand durch die Luft und ein Becher ihres wunderbaren Kaffees schwebte aus ihrer Wohnung, in mein Atelier, in meine Hand.
„Werd erst einmal wach, dann reden wir weiter.“
Ich sog den würzigen Duft tief in mich ein. Ihre Magie war so erfrischend anders. weiß magische, nein grau magische Wesen waren wunderbar. Ich kostete den Trank und lächelte. Solch eine Welt, wie sie mir zeigte, wollte ich auf keinen Fall. Vielleicht war es wirklich an der Zeit, die Grenzen der Magie aufzusprengen und etwas Neue Wege zu beschreiten.
Links zu den Videos:
Twitch: https://www.twitch.tv/videos/2439512377
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Alles zur Was passiert danach? Anthologie
Teamvorstellung: Maria Nitzl, Nadine Föhse, Carolin Summer, J. Gipfelbasilisk
Autor*innen: Andreas Röger, Asteria Rabenfeder, beschaulich, Christina Brühl, Inge SaintLaurent, Katharina Jörn, Palandurwen, Stef Helmel
Alles zum aktuellen Was passiert danach? Charakterkonzept
Teilnahmebedingungen, FAQ, Charakterkonzepte
Aufgaben: März 25, April 25, Mai 25
Texte
März 2025:
- Es war, es ist, es wird – Inge SaintLaurent
- Die wahren Opfer des Fluchs – Palandurwen
- Die Prüfung – Roalwyn
- Wovon träumt ein Märchen – Gipfelbasilisk